Kampf gegen Verschärfung der Corona-Krise: Bund und Länder beraten

Deutschland steht in der Corona-Krise vor entscheidenden Wochen - das
haben führende Politiker deutlich gemacht. Die Kritik an einem
«Flickenteppich» unterschiedlicher Regeln ist zuletzt aber immer
lauter geworden. Gelingt nun eine einheitlichere Linie?

Berlin (dpa) - Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen beraten
Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder am
Mittwoch darüber, wie die Pandemie eingedämmt werden kann. Bei dem
Treffen im Kanzleramt ab dem Mittag soll es darum gehen, ob die
Länder eine einheitlichere Linie finden und Regeln verschärft werden
sollen. Thema ist auch das umstrittene Beherbergungsverbot bei Reisen
im Inland.

Merkel hatte wiederholt deutlich gemacht, ein erneuter Shutdown müsse
unbedingt verhindert werden. Am Dienstagabend traf sich Merkel zu
einem Vorgespräch mit mehreren Ministerpräsidenten, Ergebnisse wurden
nicht bekannt. Vor dem Treffen hieß es nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur aus Kreisen von Teilnehmern, es gehe um das
richtige Maß weiterer Beschränkungen. Man müsse in solchen Bereichen

zu Einschränkungen kommen, in denen es absolut notwendig sei. Es
werde wohl auch um die Frage gehen, welche Maßnahmen für die Breite
der Gesellschaft erforderlich, sinnvoll und tragbar seien.

Ziel soll es demnach auch sein, sehr genau Bereiche zu definieren,
denen man derzeit noch keine Hoffnung auf Öffnung machen könne. In
diesen Bereichen müsse der Staat dann gegebenenfalls in einer anderen
Dimension helfen, als dies bisher der Fall sei.

Es gehe um einheitliche Standards im Umgang mit Hotspots, hieß es.
Verbessert werden solle auch die Kommunikation an die Bevölkerung.
Aus Sicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder steht ganz
Deutschland vor vier entscheidenden Wochen. Es müsse «einen Ruck
geben zu mehr Einheitlichkeit» sagte der CSU-Chef am Dienstagabend im
ZDF-«heute journal». «Die Zahlen sind viel zu hoch, viel zu früh.
»

Kanzlerin Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten kommen erstmals
seit Mitte Juni wieder im Kanzleramt zusammen und tagen nicht in
einer Videokonferenz. Um was es geht:

BEHERBERGUNGSVERBOT

Die meisten Bundesländer hatten am vergangenen Mittwoch beschlossen,
dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei
Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen,
wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test
vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr
als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Als
sicher gilt, dass am Mittwoch über das Thema gesprochen werden wird.

Diese umstrittene Regelung könnte nun noch einmal auf den Prüfstand
kommen. So sagte der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas
Bareiß, ein nochmaliger Lockdown der ganzen Hotelbranche müsse
verhindert werden. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte
in der «Bild»-Zeitung vor einer sinkenden Akzeptanz der Maßnahmen bei

den Bürgern, wenn einzelne Regeln wie das Beherbergungsverbot nicht
nachvollzogen werden könnten. Dagegen verteidigten andere Länderchefs
wie Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig
(SPD) die Regelung.

MASKENPFLICHT UND BUßGELD

Söder macht sich für bundesweit schärfere Strafen bei Verstößen g
egen
Corona-Regeln stark. Für Verstöße gegen die Maskenpflicht solle es
bundeseinheitliche Bußgelder von 250 Euro geben. Ende August hatten
sich die meisten Ministerpräsidenten auf ein Bußgeld von mindestens
50 Euro geeinigt. In Bayern gilt der Regelsatz von 250 Euro bereits.
Söder brachte auch die Frage ins Spiel, ob es eine erweiterte
Maskenpflicht in ganz Deutschland brauche, um die Pandemie besser
unter Kontrolle zu halten. Bisher gilt eine Maskenpflicht vor allem
in Bussen und Bahnen sowie beim Einkaufen.

Merkel hatte am vergangenen Freitag mit den Oberhäuptern von
Großstädten neue Regeln vereinbart. Ab 50 Infektionen pro 100 000
Einwohnern in sieben Tagen soll es umgehend neue Beschränkungen
geben. Dazu gehören eine Erweiterung der Maskenpflicht,
Kontaktbeschränkungen und gegebenenfalls Sperrstunden sowie
Alkoholbeschränkungen für die Gastronomie - sowie
Teilnehmerbeschränkungen für Veranstaltungen und private Feiern.
Dieses Thema könnte auch eine Rolle bei den Beratungen spielen.

SCHULEN UND KITAS

Konkrete Beschlüsse deuteten sich vorab nicht an. Merkel hatte aber
immer wieder betont, dass die Aufrechterhaltung des Kita- und
Schulbetriebs zu den obersten Prioritäten gehöre. Im Frühjahr und
Sommer hatte es viel Frust wegen der Schließungen und des
Schichtbetriebs gegeben. Zwar haben die meisten Schulen wieder
geöffnet, aber es kommt immer wieder zu Schließungen und
Fernunterricht für Klassen oder Lerngruppen wegen Verdachts- und
Infektionsfällen. Das dürfte in der kalten Jahreszeit zunehmen.

TESTSTRATEGIE

Zum 15. Oktober - also Donnerstag - sollte nach Angaben des
Gesundheitsministeriums eigentlich eine neue Corona-Teststrategie
vorliegen. Tests sollen stärker auf Risikogruppen und das
Gesundheitswesen konzentriert werden - weniger auf Reiserückkehrer.
Ein erster Entwurf ist seit Anfang des Monats bekannt, die endgültige
Version aber noch nicht. Geplant ist, dass Pflegeheime und
Krankenhäuser «Antigen-Schnelltests» großzügig nutzen können, d
amit
Besucher, Personal und Patienten regelmäßig getestet werden können.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte von zusätzlichen Tests «in
großer Millionenzahl pro Monat» gesprochen. Geklärt werden sollte
aber noch, an welcher Stelle künftig die bisher üblichen PCR-Tests
und wo die Schnelltests zum Einsatz kommen und entsprechend die
Kosten dafür übernommen werden sollen. Nach dpa-Informationen war im
Gespräch, dass die neue Teststrategie erst nach dem Ende der
Herbstferien startet, am 8. November.

REISERÜCKKEHRER AUS RISIKOGEBIETEN

Geplant sind neue Vorgaben zur Quarantäne-Zeit und zur «Freitestung».

Bisher gilt, dass sich Reisende, die aus solchen Gebieten
zurückkehren, sich 48 Stunden vor oder nach der Einreise auf Corona
testen lassen und dann in Quarantäne bleiben, bis das Ergebnis da
ist. Ohne negatives Testergebnis gilt eine vierzehntägige Quarantäne.
Künftig könnte sie auf zehn Tage verkürzt werden. Ein «Freitesten
»
soll erst ab dem fünften Tag in Quarantäne möglich sein.

WIRTSCHAFT

Die Corona-Krise hatte im zweiten Quartal wegen des Lockdowns zu
einem Wirtschaftseinbruch geführt. Merkel hat betont, es habe
Priorität, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Spitzenverbände der
Wirtschaft warnen eindringlich vor einem zweiten Lockdown, dies
würden viele bereits angeschlagene Firmen nicht überleben.