Knochenjob Pflege - Zugang zu Kuren für Angehörige wird erleichtert Von Dorothea Hülsmeier, dpa

Die Pflege eines Partners oder der betagten Eltern zuhause führt
viele Menschen an ihre Belastungsgrenzen. Und jeden Tag pflegen
Hunderttausende Menschen in NRW ihre Angehörigen. Viele wissen nicht,
dass die Anspruch auf eine Auszeit haben.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Eine demente Ehefrau, ein schwerbehindertes
Kind, hochbetagte Eltern oder ein Ehepartner, der nach einem schweren
Unfall zum Pflegefall wird: Jeden Tag pflegen in Nordrhein-Westfalen
Hunderttausende Menschen ihre kranken oder alten Angehörigen zuhause.
Es ist ein Knochenjob, der in Corona-Zeiten zu einer noch größeren
Belastung wird. Viele pflegende Angehörige wissen dabei gar nicht,
dass sie einen gesetzlichen Anspruch auf Reha-Maßnahmen oder eine
dreiwöchige Kur haben. In einem Programm der Landesregierung und der
Wohlfahrtsverbände soll der Zugang zu Kuren und
Rehabilitationsmöglichkeiten für pflegende Angehörige in NRW nun
erleichtert werden.

Sehr viele Menschen pflegten «über Jahre oder sogar über Jahrzehnte
»
Angehörige, sagt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am
Dienstag in Düsseldorf. Diese Menschen hätten oft keine Zeit mehr,
sich um sich selbst zu kümmern. Zudem habe die Corona-Pandemie viele
an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht, da zeitweise auch
Tagespflege- oder Betreuungsgruppen geschlossen gewesen seien. Wegen
der Pandemie dürften Kuren und Reha-Aufenthalte aber jetzt nicht
aufgegeben werden, denn die Spätschäden für die pflegenden
Angehörigen könnten gravierend sein, sagte Laumann. Jeder, der in
eine Kur gehe, werde zuvor auf das Coronavirus getestet.

Mehr als 100 Kurberater und -beraterinnen wurden inzwischen
landesweit qualifiziert. Sie helfen nicht nur bei den Kuranträgen,
sondern auch dabei, für die Pflegebedürftigen während der Kur ihrer
Angehörigen eine geeignete Betreuung, etwa einen Kurzzeitpflegeplatz
zu finden. Je nach Bedarf können Pflegebedürftige auch mit in die
Kurklinik fahren.

Schon seit 2019 gibt es in NRW eine nach Angaben der Landesregierung
bundesweit einmalige flächendeckende Kurberatungsstruktur für
pflegende Angehörige. Doch in der Corona-Pandemie mussten auch die
Kureinrichtungen zeitweise schließen. Viele Angehörige stellen nach
Angaben der Caritas zudem keinen Kurantrag, weil sie Angst haben,
dass die Versorgung der pflegebedürftigen Partner nicht gesichert
sei.

Die Erfahrung zeige, dass pflegende Angehörige ihre eigene Gesundheit
«nur in den wenigsten Fällen berücksichtigen», sagt Andreas Frank,

Geschäftsführer der Kur und Erholung GmbH der Arbeiterwohlfahrt.
Nicht nur Erwachsene, auch junge Pflegende und sogar Jugendliche, die
zuhause Eltern oder Geschwister pflegten, brauchten Hilfe.

Dass die Kurmöglichkeiten wenig bekannt sind oder wenig genutzt
werden, zeigen die Zahlen: Bisher wurden nach Angaben der
Beratungsstellen allerdings erst 211 Anträge auf Kuren gestellt, von
denen rund 100 bewilligt wurden. Dabei werden in NRW von insgesamt
rund 770 000 Pflegebedürftigen etwa 420 000 Menschen zuhause
ausschließlich durch Angehörige gepflegt. Das sind mehr als 54
Prozent. Das Land rechnet mit etwa 3500 Kuranträgen.

Manchmal versuchten Krankenkassen auch, Anträge abzulehnen, sagt
Pflegeberaterin Sabine Lohmann vom Caritasverband Paderborn. Die
Kurberatungsstellen könnten aber auch helfen, Widerspruch dagegen zu
formulieren. «Pflegende Angehörige sind häufig so erschöpft, dass s
ie
gar keinen Nerv mehr haben, Anträge zu stellen, weil sie das für die
zu Pflegenden immer schon tun müssen.»

Einige Kliniken in NRW haben sich inzwischen auf Kuren für pflegende
Angehörige spezialisiert. Die Mutter-Kind-Klinik in Winterberg etwa
nimmt pflegende Frauen in einem Extra-Bereich auf. Ebenfalls in
Winterberg bietet das Landhaus Fernblick Kuren für pflegende
Angehörige mit oder ohne ihre an Demenz leidenden Pflegebedürftigen.
23 Kliniken bieten in NRW nach Angaben von Andreas Frank bisher
Kurplätze für pflegende Angehörige. «Das ist zu wenig, der Bedarf
wird größer.»