Urlaub in der Pandemie: Unmut über innerdeutsche Reiseregeln

Sperrstunde, Maskenpflicht, Abstand halten - die Pandemie bringt
einiges an Zumutungen mit sich. Da wird der Urlaub zum Lichtblick.
Doch für Menschen aus deutschen Corona-Hochburgen ist selbst das
schwierig. Die Diskussion um die Reiseregeln tobt.

Berlin (dpa) - Um die Beherbergungsverbote vieler Länder für Urlauber
aus deutschen Risikogebieten toben heftige Diskussionen. Zahlreiche
Politiker fordern eine Rücknahme der erst in der vergangenen Woche
vereinbarten Regelung. Berlins Regierender Bürgermeister Michael
Müller (SPD) und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) meldeten
Gesprächsbedarf dazu für die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch

an. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte am Montag, Kanzlerin
Angela Merkel (CDU) werde sich Argumente aller Seiten anhören. Es
handle sich aber um Länderregelungen. Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) forderte ein einheitliches Vorgehen bei dem Streitthema.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Montagmorgen 2467 neue
Corona-Infektionen innerhalb eines Tages, eine Woche zuvor waren es
1382 neue Fälle. Immer mehr Städte überschreiten den Warnwert von 50

Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Nach
RKI-Angaben vom Montagmorgen überschritt der Wert für München erneut

die Marke und liegt nun bei 50,6. Die bayerische Landeshauptstadt
hatte schon einmal die Warnstufe erreicht und Maßnahmen verschärft.
Am Wochenende meldeten unter anderem Köln, Stuttgart, Essen und Mainz
das Überschreiten der wichtigen Warnstufe. Andere Großstädte wie
Berlin, Frankfurt und Bremen waren schon zuvor über diese Marke
gestiegen.

Menschen aus diesen Gebieten dürfen damit in vielen Bundesländern
nicht mehr in Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen übernachten - es
sei denn, sie können einen aktuellen negativen Coronavirus-Test
vorweisen. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Leipzigs
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD), sagte den Zeitungen der Funke
Mediengruppe (Montag), die Regelung sei «nicht durchdacht, da wird
man noch mal rangehen müssen».

Spahn sagte am Montag bei einer Videokonferenz des ifo-Instituts:
«Wenn es um Mobilität geht und keine einheitlichen Regeln da sind,
dann (...) untergräbt das Akzeptanz». Deswegen sei es wichtig, dass
man am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten auf eine einheitliche
Linie und Herangehensweise komme.

Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger
aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb
von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen
höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können.
Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen.

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Brandenburg prüft
juristische Schritte gegen ein coronabedingtes Beherbergungsverbot.
Der Deutsche Tourismusverband forderte einheitliche und verständliche
Regeln für das Reisen in Deutschland. «Das Chaos zu Beginn der
Herbstferien zeigt einmal mehr, dass ein abgestimmtes Vorgehen von
Bund und Ländern dringender denn je notwendig ist», teilte der
Verband in Berlin mit. «Die Gefahren liegen nicht bei der
Übernachtung in einer Ferienwohnung auf dem Land und auch nicht in
einem Hotel einer Stadt», sagte Verbandspräsident Reinhard Meyer.
«Reisen innerhalb Deutschlands einschließlich Übernachtungen muss
weiterhin erlaubt und möglich sein.»

Regierungssprecher Seibert sprach nach Beratungen des sogenannten
Corona-Kabinetts am Montag vom Beginn einer «zweiten Welle». «Alle in

der Bundesregierung sind sich darüber einig: Jetzt ist die Zeit, in
der sich entscheidet, ob wir uns erfolgreich gegen diese Entwicklung
stemmen können oder ob uns die Zahlen in Richtung Winter und
Weihnachten davonlaufen.» Wenn es so käme, würde sich das früher od
er
später auch in den Krankenhäusern und Intensivstationen wieder
deutlich zeigen, sagte Seibert.

Er verteidigte den Blick auf die Zahl der täglich festgestellten
Neuinfektionen. Von dieser Zahl hänge ab, ob die Gesundheitsämter in
der Lage seien, die Kontaktverfolgung aufrechtzuerhalten. Der
Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV),
Andreas Gassen, hatte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» gesagt: «W
ir
müssen aufhören, auf die Zahl der Neuinfektionen zu starren wie das
Kaninchen auf die Schlange, das führt zu falschem Alarmismus.»

Der schleswig-holsteinische Landkreis Pinneberg, das Land Berlin, der
Lahn-Dill-Kreis und der Kreis Offenbach in Hessen sowie der Landkreis
Esslingen in Baden-Württemberg kamen nach einem vertraulichen
Regierungspapier zuletzt mit der Verfolgung von Kontakten von
Corona-Infizierten nicht mehr hinterher. Die Angaben spiegeln den
Stand vom 6. Oktober wieder.

Angesichts steigender Coronavirus-Fallzahlen in Deutschlands
Nachbarländern schließt das Bundesinnenministerium erneute
Grenzkontrollen nicht aus. Man beobachte in angrenzenden Ländern
teils eine «sehr starke Steigerung» der Fälle, sagte ein Sprecher.
Dies fließe ein in Überlegungen zu Quarantäne-Regelungen und zum
Testregime. Er betonte aber: «Wir versuchen, mit diesen Maßnahmen das
Notwendige sicherzustellen ohne über andere Maßnahmen an den Grenzen
nachdenken zu müssen.»