Corona: Kassenärzte und DIHK rügen Länder für Regel-Wust

Berlin (dpa) - Aus Ärzteschaft und Wirtschaft gibt es harsche Kritik
am uneinheitlichen Vorgehen der Bundesländer in der Corona-Krise. Der
Chef des Kassenärzte-Verbandes, Andreas Gassen, warf den Ländern auch
überzogene Maßnahmen vor. «Diese Regelungswut ist oft eher
kontraproduktiv», sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV) der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag) mit

Blick auf Beherbergungsverbote und Sperrstunden. «Die
Reisebeschränkungen sind zur Pandemiebekämpfung überflüssig und auc
h
nicht umzusetzen», sagte Gassen. Das Beherbergungsverbot müsse
schnellstmöglich zurückgenommen werden.

Gassen bezeichnete innerdeutsche Reisen als «Pseudo-Gefahr».
Masseninfektionen gebe es durch traditionelle Großhochzeiten, in
Fleisch verarbeitenden Betrieben und durch unkontrolliertes Feiern.
Auch Sperrstunden und Alkoholverbote wie in Berlin seien «mehr als
fragwürdig». «Durch den Wust an nicht nachvollziehbaren Regelungen
verlieren wir aber eventuell die Akzeptanz für die Maßnahmen, die
wirklich etwas bringen», warnte Gassen.

Auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) kritisiert
«unkoordinierte Regelungen» bei Beherbergungsverboten. Dies sorge
aktuell für große Verunsicherung bei den Unternehmen, sagte
DIHK-Präsident Eric Schweitzer den Zeitungen der Funke Mediengruppe
(Samstag). Schließlich hätten gerade die Betriebe in der
Tourismuswirtschaft sichere Hygienekonzepte ausgearbeitet, digitale
Lösungen entwickelt und sich unter erschwerten Bedingungen weiter
engagiert. In der «Bild»-Zeitung (Samstag) warnte Schweitzer: «Gerade

auch im Gastgewerbe können weitere Ausfälle die Existenz von
Unternehmen gefährden.»

Kassenärzte-Verbandschef Gassen nahm ferner Anstoß an Warnungen des
Robert Koch-Instituts, die Pandemie könnte außer Kontrolle geraten.
«Wir müssen aufhören, auf die Zahl der Neuinfektionen zu starren wie

das Kaninchen auf die Schlange, das führt zu falschem Alarmismus»,
sagte Gassen. «Selbst 10 000 Infektionen täglich wären kein Drama,

wenn nur einer von 1000 schwer erkrankt, wie wir es im Moment
beobachten.» Zuletzt war die Zahl der registrierten Neuinfektionen in
Deutschland auf mehr als 4000 Fälle am Tag deutlich angestiegen.