Epidemiologe stellt Bundesliga und Weihnachtsmärkte in Frage

Bundesliga, Weihnachtsmärkte und Halloween-Feiern als besondere
Corona-Risiken: Der Infektionsmediziner Prof. Fickenscher befürchtet
angesichts der gestiegenen Infektionszahlen die Notwendigkeit
einschränkender Maßnahmen wie im Lockdown.

Kiel (dpa/lno) - Angesichts der stark gestiegenen Corona-Zahlen in
Deutschland sieht der Epidemiologe Prof. Helmut Fickenscher die
Gefahr, dass einschränkende Maßnahmen wie im Lockdown wieder
notwendig werden könnten. «Für Fußball-Bundesligaspiele mit viel
Publikum sehe ich derzeit keine Perspektive», sagte Fickenscher der
Deutschen Presse-Agentur. Denn es seien Ansteckungen auch im Freien
bei Sport-Großveranstaltungen festgestellt worden. «Deshalb sehe ich
auch die konventionellen Weihnachtsmärkte eher als Gefährdung an.» Er

sei sehr skeptisch hinsichtlich «einigermaßen tragfähiger
Hygiene-Konzepte» für Weihnachtsmärkte. Das gelte auch für Hallowee
n
- «wenn sich zu viele Menschen in engen Treppenhäusern tummeln».

Fickenscher ist Direktor des Instituts für Infektionsmedizin des
Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und Präsident der Deutschen
Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten.

Trotz der gestiegenen Zahlen sei Deutschland auf der europäischen
Corona-Karte noch «die Insel der Glückseligen», da es in den meisten

Nachbarländern deutlich schlechter aussehe. Er teile aber die Sorge
des Robert Koch-Instituts und von Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU), dass die Lage bei einem exponentiellen Anstieg außer
Kontrolle geraten könnte, sagte Fickenscher.

«Es ist zu befürchten, dass einschränkende Maßnahmen wieder notwend
ig
werden könnten», sagte der Wissenschaftler. Die Politik sollte die
Stellschrauben, die im Rahmen des Lockdowns im Frühling genutzt
wurden, wieder in den Blick nehmen. «Der große Lockdown sollte
natürlich vermieden werden soweit es irgendwie geht.» Intensivierte
Maßnahmen böten sich für Gemeinden, Landkreise oder Städte mit
besonders hohen Corona-Fallzahlen an.

Fickenscher betonte die Verantwortung jedes Einzelnen. Vorrangig
müssten die AHA-Rregeln eingehalten werden: Abstand halten, Hygiene
wie häufiges Hände waschen möglichst mit Seife und warmem Wasser
sowie Atemschutz, also eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. «Die
AHA-Maßnahmen sind die Grundlage, aber dazu gehört auch, auf
verzichtbare Kontakte auch wirklich zu verzichten», sagte
Fickenscher. Und auch wenn nur wenige Infektionen bei Bus- oder
Bahnreisen dokumentiert seien: «Dieses Risiko kann man ausschließen,

ebenso müsse man nicht häufig in Restaurants gehen.»

Zu den Risiken, sich in Bussen und Bahnen mit Corona anzustecken,
sagte Fickenscher: «Solange es nur wenig Fahrgäste sind, halte ich es
für sehr unproblematisch.» Es gebe aber immer wieder «die
Sardinendosen-Situation», wo die Leute enge beieinander stehen, weil
sie mitgenommen werden wollen. Daher sei der Mund-Nasen-Schutz
essenziell. «Bei Gruppen-Busreisen hat man gesehen, dass es sehr
leicht zu Übertragungen kommen kann.» Bei Busfahrt im öffentlichen
Nahverkehr fehle fast immer die Möglichkeit, Kontakte
nachzuverfolgen. Die Übertragung des Virus über die Hände sei zwar
möglich, «aber im Vergleich zum Einatmen von Tröpfchen ist das sehr

nachrangig». Ein fehlender Mund-Nasen-Schutz und zu geringe Distanz
bedeuteten die größten Ansteckungsrisiken.

Auf die Frage, ob dieser Winter eine härtere Corona-Belastungsprobe
werde als der Lockdown im Frühling, antwortete Fickenscher:
«Übertragenerweise kann man sagen: Man muss sich warm anziehen im
Herbst und im Winter.»