TV-Debatte der Vize-Kandidaten: Harris greift beim Coronavirus an

Nachdem das TV-Duell von Donald Trump und Joe Biden im Chaos versank,
bekamen die Amerikaner zumindest von ihren Vize-Kandidaten eine
geordnetere Debatte geboten. Neue Positionen kamen nicht heraus -
aber Mike Pence und Kamala Harris konnten ihre Fähigkeiten zeigen.

Salt Lake City (dpa) - In der einzigen TV-Debatte der Vize-Kandidaten
vor der US-Präsidentenwahl hat Herausforderin Kamala Harris das
Coronavirus zu einem zentralen Thema gemacht. «Das amerikanische Volk
ist Zeuge des größten Versagens einer Regierung in der Geschichte
unseres Landes geworden», sagte Harris am Mittwoch in Salt Lake City
auf einer Bühne mit Vizepräsident Mike Pence. «Das amerikanische Volk

hat Opfer bringen müssen wegen der Inkompetenz dieser Regierung.»

Pence konterte mit dem oft auch von Donald Trump vorgebrachten
Argument, dass Maßnahmen seiner Regierung Hunderttausende
Menschenleben gerettet hätten. Zur Appellen des demokratischen
Präsidentenkandidaten Joe Biden und von Harris, Vorsichtsmaßnahmen
gegen Corona zu ergreifen und beispielsweise einen Mund-Nasen-Schutz
zu tragen, sagte Pence: «Der Unterschied ist hier, Präsident Trump
und ich vertrauen darauf, dass die amerikanischen Menschen ihre Wahl
treffen, was am besten für ihre Gesundheit ist.»

Die einzige Debatte der Vize-Kandidaten vor der Wahl am 3. November
verlief viel geordneter als das Duell von Trump und Herausforderer
Joe Biden, das eine Woche zuvor im Chaos versunken war. Der Auslöser
dafür war vor allem, dass Trump immer wieder Biden ins Wort fiel. Die
Vize-Kandidaten unterbrachen einander dagegen kaum - auch weil Harris
zwei Anläufe von Pence mit einem resoluten «Mr. Vizepräsident, jetzt

rede ich» stoppte. Dafür überzog Pence immer wieder die ihm
zugeteilte Zeit. Er ließ sich auch von der Moderatorin - der
Journalistin Susan Page von der Zeitung «USA Today» - nicht
unterbrechen und redete einfach weiter.

An anderer Stelle, als es um Recht und Ordnung und Polizeigewalt
ging, wies Harris Pence erneut in die Schranken: «Ich werde hier
nicht sitzen und mich vom Vizepräsidenten belehren lassen, was es
heißt, die Gesetze unseres Landes durchzusetzen. Ich bin hier die
einzige auf der Bühne, die alles strafrechtlich verfolgt hat, von
Kindesmissbrauch bis Mord.»

In einer Schnellumfrage des Nachrichtensenders CNN hielten 59 Prozent
Harris für die Gewinnerin der Debatte - und 38 Prozent Pence. Unter
Frauen war das Ergebnis mit 69 zu 30 Prozent noch eindeutiger. Trump
verkündete unterdessen bei Twitter: «Mike Pence hat KLAR GEWONNEN!»
Biden schrieb an die Adresse von Harris: «Du hast uns alle heute
Nacht sehr stolz gemacht.»

Harris (55) und Pence (61) bestritten ihr rund 90-minütiges Duell auf
etwa 3,7 Metern Distanz zueinander. Zusätzlich trennten sie
Plexiglasscheiben. Für die wenigen Zuschauer der Debatte vor Ort galt
eine Maskenpflicht. Trump ist an Covid-19 erkrankt und Pence ließ
sich jeden Tag testen.

Pence fiel damit auf, dass er mehrfach einfach die Fragen ignorierte
und stattdessen die Botschaften platzierte, die er unterbringen
wollte. So redete er bei einer Frage nach der Position zu
Abtreibungen zunächst einmal darüber weiter, wie die Trump-Regierung
Irans Top-General Ghassem Soleimani mit einem Raketenangriff getötet
hatte.

Beide Kandidaten wichen der Frage aus, wie ihre Absprachen mit den
jeweiligen Präsidentschaftsanwärtern für eine Machtübergabe sind. E
s
ist ein wichtiger Punkt: Trump ist 74 Jahre alt und an Covid-19
erkrankt, Biden ist 77. Jeder der beiden wäre bei Amtsantritt im
Januar 2021 der älteste Präsident in der US-Geschichte. Pence griff
stattdessen die Bilanz von Präsident Barack Obama und dessen Vize
Biden im Kampf gegen die Schweinegrippe an. Harris sprach von ihrer
Erfahrung im US-Senat - was immerhin ihre Qualifikation für den Job
vermitteln sollte. Moderatorin Page hakte nicht nach.

Genauso wenig beantwortete Harris die von Pence gestellte Frage, ob
Biden und die Demokraten im Falle ihres Wahlsiegs und der
Rückeroberung der Mehrheit im Senat das Oberste Gericht vergrößern
würden. Die Republikaner versuchen gerade, die Juristin Amy Coney
Barrett in das höchste US-Gericht zu bringen. Sie würde eine
konservative Mehrheit im Gericht zementieren. Es gibt deshalb
Spekulationen, die Demokraten könnten zwei zusätzliche Richter oder
Richterinnen an den Supreme Court berufen.

Pence ging seinerseits nicht darauf ein, ob Trump und er eine
Wahlniederlage akzeptieren würden. «Ich denke, wir werden diese Wahl
gewinnen», sagte er. Harris antwortete: «Wir werden gewinnen. Und wir
werden niemandem erlauben, unsere Demokratie zu untergraben.» Trump
liegt in landesweiten Umfragen deutlich hinter Biden.

Harris betonte, dass Biden als Präsident die Steuerreform von Trump
rückgängig machen würde. Pence erklärte daraufhin, dass dies
Steuererhöhungen für die Wähler bedeuten würde. Harris versicherte:

«Joe Biden wird für niemanden die Steuern erhöhen, der weniger als
400 000 Dollar im Jahr verdient.» Harris sagte auch, dass eine
Biden-Regierung «mit Stolz» wieder dem Pariser Klimaschutz-Abkommen
beitreten würde.

Pence wich der direkten Frage aus, ob er den Klimawandel für eine
existenzielle Bedrohung halte. «Das Klima ändert sich, wir werden der
Wissenschaft folgen», sagte er. Harris bezeichnete den Klimawandel
als «eine existenzielle Bedrohung für uns als Menschen».

Pence griff mehrfach die politische Vergangenheit von Joe Biden als
Vizepräsident von Barack Obama und US-Senator an. Unter anderem hielt
er ihm vor, dass Jobs an China verlorengegangen seien und dass die
Gesundheitsreform von Obama versagt habe. Harris ging mit der
Außenpolitik Trumps hart ins Gericht: «Er hat unsere Freunde verraten
und sich mit Diktatoren auf der ganzen Welt verbündet.»