Risikogebiete: Thüringen schert bei Beherbergungsverbot aus

Sind Reisebeschränkungen für Menschen aus inländischen
Corona-Hotspots gerechtfertigt? Thüringen hat dazu eine eigene
Meinung, die die Mehrheit der Länder nicht teilt.

Erfurt/Berlin (dpa/th) - Thüringen schließt sich einem allgemeinen
Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen
Corona-Risikogebieten nach Angaben der Landesregierung nicht an. Das
Land habe bei der Schaltkonferenz der Chefs der Staatskanzleien der
Länder mit Kanzleramtschef Helge Braun eine entsprechende Erklärung
abgegeben, erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in
Erfurt am Mittwoch. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte, er
habe den Eindruck, dass die Bundesländer in dieser Frage
unterschiedliche Positionen hätten und noch nicht dicht beieinander
lägen.

Die Mehrheit der Bundesländer vereinbarte ein Beherbergungsverbot für
Urlauber aus inländischen Gebieten mit hohen Corona-Infektionszahlen.
Neben Thüringen gaben Bremen, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und
Niedersachsen jeweils unterschiedliche Protokollerklärungen ab.

Thüringen vertrete die Position, dass nach dem Infektionsschutzgesetz
die Verantwortung zunächst bei den regionalen Gesundheitsämtern
liege, sagte Ramelow. Diese ordneten Quarantäne für infizierte
Menschen oder Menschen mit Corona-Verdacht an. Sie dürften die
Region, in denen es einen Infektions-Hotspot gebe, nicht verlassen.
Warum jedoch alle Menschen aus einer solchen Region nicht beherbergt
werden sollten, sei ihm unverständlich, sagte Ramelow.

Hoteliers zu zwingen, Menschen aus inländischen Corona-Risikogebieten
aus dem Haus zu verweisen, bezeichnete er als «Eingriff in das
Gewerberecht». Ramelow sagte: «Ich habe schon vor Monaten abgelehnt,
eine solche Regelung mitzutragen.» Thüringen war bereits im Juni nach
hohen Infektionszahlen in der Fleischindustrie bei Beschränkungen für
die Hotellerie aus dem Reigen der Bundesländer ausgeschert.

In dem Mehrheitsbeschluss von Bund und Ländern steht, dass Personen
aus Risikogebieten nur in Beherbergungsbetrieben übernachten dürfen,
wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen können. Der Test dürfe
höchstens 48 Stunden vor der Anreise vorgenommen worden sein. In
Thüringens Protokollerklärung heißt es, «dass die Einschätzung de
r
Gesundheitsbehörden der betroffenen Gebiete Grundlage und Maßstab für

die Maßnahmen der Reisezielgebiete sein muss».

Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) hatte sich bereits vor der
Länder-Schaltkonferenz gegen Einreisebeschränkungen in Thüringen
angesichts steigender Corona-Infektionszahlen beispielsweise in
Berlin ausgesprochen. «Das wird es bei uns nicht geben», sagte Werner
der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. «Es kann nicht jeder aus
bestimmten Berliner Stadtteilen unter Generalverdacht gestellt
werden.» Die Ministerin äußerte zudem Zweifel, ob Reisebeschränkung
en
überhaupt kontrollierbar seien.

Auch der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Mario Voigt, sprach
sich gegen Reisebeschränkungen aus. «Wir brauchen keinen
innerdeutschen Grenzverkehr. Regeln, die ohnehin nicht durchsetzbar
sind, bringen keinen zusätzlichen Schutz und zerstören das Vertrauen
in einen handlungsfähigen Staat», sagte Voigt. Beherbergungsverbote
seien aus seiner Sicht keine Lösung, erklärte auch der
Geschäftsführer des Thüringer Hotel- und Gaststättenverbandes, Dirk

Ellinger.

Mit Blick auf die anstehenden Herbstferien bereiten die steigenden
Infektionszahlen in Deutschland bundesweit Sorgen.