Steigende Corona-Zahlen setzen Kommunen und Land weiter unter Druck

Tag für Tag werfen die Experten in den Rathäusern sorgenvolle Blicke
auf den Lagebericht des Landesgesundheitsamtes mit den jüngsten
Corona-Zahlen. Ist eine Grenze überschritten, drohen Auflagen. Das
ist jetzt zunehmend der Fall. Und es ist kein Ende in Sicht.

Stuttgart (dpa/lsw) - Mit der Zahl der Corona-Infizierten in
Baden-Württemberg steigt auch der Druck auf Land und Kommunen,
Konsequenzen zu ziehen und Auflagen zu verschärfen. Mehrere Städte
und Kreise sind inzwischen zu neuen Einschränkungen gezwungen, weil
die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung in ihrer Region größer ist
als erlaubt.

Rathäuser und Landratsämter nehmen zunächst die privaten Feiern ins
Visier. Nach Mühlacker, dem Kreis Esslingen und Mannheim schränkt
auch Stuttgart die Teilnehmerzahlen ein. Dort sind Feiern in privaten
Räumen von Freitag an und für die kommenden zwei Wochen nur noch
erlaubt, wenn weniger als 25 Menschen zusammenkommen. In der
Öffentlichkeit oder in angemieteten Räumen liegt die Grenze bei 50
Teilnehmern, wie die Stadt am Mittwoch mitteilte. Ähnliche
Einschränkungen haben auch die anderen Kommunen und der Kreis
erlassen.

Zuvor hatte nach dem Kreis Esslingen auch die Landeshauptstadt die
sogenannte Vorwarnstufe erreicht. Während die Lage im benachbarten
Kreis Esslingen mit 45,4 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und
innerhalb von sieben Tagen (Stand 6.10., 16.00 Uhr) besonders
kritisch ist, lag sie zuletzt in der Landeshauptstadt bei 35,4 neuen
Fällen und somit ebenfalls über der kritischen Marke von 35. Mannheim
hatte die vom Land definierte «Vorwarnstufe» am Wochenende
überschritten, lag am Dienstag aber mit einem Wert von 34,1 wieder
knapp darunter. 

Mit der Verschärfung folgen die Kreise und Kommunen der Empfehlung
der Bund-Länder-Kommission von Ende September, die insbesondere der
Verbreitung von Infektionen im Rahmen von Feierlichkeiten im
Familien- und Freundeskreis vorbeugen soll. Bei mehr als 50 Fällen
pro 100 000 Einwohner können in betroffenen Gegenden Ausgangs- und
Kontaktbeschränkungen verschärft werden.

Bereits am Dienstag hatte die baden-württembergische Landesregierung
wegen der steigenden Infektionszahlen die zweite von drei möglichen
Corona-Warnstufen ausgerufen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann
(Grüne) sprach von einer Habt-Acht-Stufe. Die Pandemiestufe zwei
gilt, wenn die landesweite sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz von 10
Fällen je 100 000 Einwohner überschritten wird und zusätzlich das
Infektionsgeschehen diffus ansteigt oder sich die landesweiten
wöchentlichen Fallzahlen innerhalb von zwei Wochen verdoppeln.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) nannte die neue
Auflage in der Landeshauptstadt am Mittwoch «zielgerichtet und
angemessen». Es gehe darum, das öffentliche Leben so weit es geht
aufrechtzuerhalten. «Wir wollen einen weitreichenden Lockdown
verhindern. Damit Kinder in die Kita oder in die Schule gehen und
Geschäfte offenbleiben können, schränken wir private Zusammenkünfte

ein, so wie es auch andere Kommunen gemacht haben.»

Nach Angaben des Leiters des Stuttgarter Gesundheitsamts, Stefan
Ehehalt, lassen sich Corona-Ausbrüche in ganz Deutschland vermehrt
auf Feiern und Partys zurückführen. «Überall dort, wo Menschen auf

engem Raum zusammenkommen, laut reden, sich locker austauschen,
verbreiten sich Viren. Wenn wir Infektionen nachverfolgen und Ketten
durchbrechen wollen, müssen wir den Hebel hier ansetzen», sagte
Ehehalt.

Um Infektionen aus anderen gefährdeten Teilen Deutschlands zu
verhindern, soll bundesweit zudem ein Beherbergungsverbot für
Urlauber aus inländischen Gebieten mit hohen Corona-Infektionszahlen
gelten. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Berlin am Mittwoch
aus Teilnehmerkreisen nach einer Schaltkonferenz der Chefs der
Staatskanzleien der Länder mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU).

Zentrales Kriterium beim Krisenmanagement ist, ob es in einer Region
mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen
gibt. Anhand dieser Schwelle stuft die Bundesregierung auch andere
Staaten als «Risikogebiete» für deutsche Urlauber ein. Im Inland
haben Bund und Länder vereinbart, dass ab dieser Marke in «besonders
betroffenen Gebieten» örtliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Baden-Württemberg hatte Einreiseverbote und zusätzliche
Quarantäneauflagen für Reisende aus dem Inland eigentlich zunächst
nicht in Betracht gezogen. Im Südwesten gilt jedoch schon seit
längerem ein Beherbergungsverbot für Besucher aus Stadt- oder
Landkreisen mit erhöhtem Infektionsgeschehen für Hotels, Herbergen,
Campingplätze und andere ähnliche Einrichtungen.

Bundesweit hat die Zahl der Neuinfektionen wieder einen Höchstwert
seit der zweiten Aprilhälfte erreicht. In Fellbach wurden unter
anderem 41 Geflüchtete in einer Unterkunft unter Quarantäne gestellt,
nachdem sich vier Bewohner mit dem Coronavirus angesteckt hatten. In
der Stadt sind außerdem mehrere Schulklassen in Quarantäne.