Star in der Wissenschaftswelt: Die Biochemikerin Jennifer Doudna

Berkeley (dpa) - Die Corona-Krise hat Jennifer Doudna in ihren Garten
zurückgebracht. «Ich bin eine begeisterte Gärtnerin, aber ich hatte
in den vergangenen sechs oder sieben Jahren überhaupt keine Zeit, in
meinem Garten zu arbeiten, wegen all diesem Wahnsinn mit Crispr und
der Arbeit an der Universität», sagte die Biochemikerin jüngst in
einem Interview. «Jetzt aber hatte ich die Möglichkeit, mich wieder
mit meinem Garten zu verbinden, mit den Blumen, und neu zu entdecken,
was es bedeutet, ein ausbalancierteres Leben zu haben. Das ist
wahrscheinlich der Silberstreifen am Horizont der momentanen Zeit.» 

Seit Doudna 2012 gemeinsam mit ihrer heute in Berlin arbeitenden
Kollegin Emmanuelle Charpentier und weiteren Kollegen im Fachmagazin
«Science» die Grundfunktionen der Genschere Crispr/Cas9 vorstellte,
war ihr Aufstieg zum Star der Wissenschaftswelt rasant. «Science»
erklärte die Entdeckung zu einer der wichtigsten des Jahres, das
«Time»-Magazin zählte Doudna kurz darauf zu den einflussreichsten
Menschen der Welt, sie reiste um die Welt für Vorträge, bei denen die
Zuhörer bis weit auf den Gang hinaus standen, bekam viele renommierte
Preise verliehen. Jetzt wurde ihr gemeinsam mit Charpentier der
Chemie-Nobelpreis zuerkannt.

Zudem trieb Doudna die Forschung an Crispr/Cas9 in ihrem eigenen nach
ihr benannten Labor an der Universität im kalifornischen Berkeley
voran und gründete zahlreiche darauf basierte
Biotechnologie-Unternehmen. Die Wissenschaftlerin habe eine
«ungewöhnliche Intensität», schrieb die «New York Times» einmal
. «Mit
ihr zu sprechen fühlt sich ein bisschen so an, als würde man einem
Reiher gegenübersitzen, der einen wenig vielversprechenden Fisch
beäugt.»

Doudna wurde 1964 in Washington geboren und wuchs zeitweise auf
Hawaii auf, wo ihr Vater Literaturprofessor war. Über ihren kleinen
Wohnort mit nur wenigen komplett weißen Menschen sagte sie: «Ich
hatte sehr schwere Zeiten dort. Ich sah anders aus als alle anderen.
Kinder können so gemein sein. Ich hatte nicht viele Freunde».
Anstelle dessen habe sie viel gelesen, auch populärwissenschaftliche
Bücher, die ihr Vater ihr gegeben habe. «Ich erinnere mich daran,
dass ich viel auf meinem Bett gelegen habe und darüber nachgedacht
habe, wie die Dinge so funktionieren, besonders in der Natur.»

Nach der Schule studierte Doudna, die in der Fachwelt als sehr
höflich, genau und ehrgeizig gilt und immer schick gekleidet und mit
kurzen, akkurat frisierten Haaren auftritt, Biochemie in Kalifornien
und an der Elite-Universität Harvard. Seit Anfang der 2000er Jahre
lehrt sie mit Unterbrechungen an der University of California
in Berkeley. Doudnas Mann ist ebenfalls Chemiker, die beiden haben
einen Sohn.

Der andauernde Patentstreit um die Crispr/Cas9-Entdeckung betrübe sie
sehr, sagt Doudna. «Aber die Wahrheit ist, dass niemand mir die
Freude an der eigentlichen Entdeckung jemals nehmen können wird.
Niemand kann mir diesen Moment im Labor nehmen, als wir etwas gesehen
haben, dass niemals je zuvor gesehen wurde.»