Rufe nach einheitlichen Corona-Reiseregeln in Deutschland

Die steigenden Infektionszahlen schlagen wieder auf Urlaubsplanungen
vieler Bürger durch - selbst bei Zielen in Deutschland: Wo gelten
welche Beschränkungen für wen? Nun wird um mehr Durchblick gerungen.

Berlin (dpa) - Mit Blick auf die Herbstferien werden bundesweit Rufe
nach klareren Corona-Vorgaben für Reisen innerhalb Deutschlands laut.
Man sehe mit großer Sorge, dass Regelungen der Länder sich so weit
auseinanderentwickelten, dass sie teils kaum noch nachvollziehbar
seien, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds,

Gerd Landsberg, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Auch von
mehreren Ländern, aus der Bundesregierung und der Tourismusbranche
kamen Mahnungen zu einheitlichen Regeln für Reisende aus Gebieten mit
hohen Infektionszahlen. An einigen Orten kommen auf Bürger strengere
Schutzmaßnahmen zu. Auch insgesamt breitet sich das Virus weiter aus.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte möglichst
einheitliche Quarantäne-Regeln aller Länder für Reisende aus Gebieten

mit hohen Corona-Zahlen im Inland. Dazu werde es an diesem Mittwoch
auch eine Schaltkonferenz der Chefs der Staatskanzleien der Länder
geben.

Wegen der Einstufung einiger Kommunen und einzelner Berliner
Stadtbezirke als inländische «Risikogebiete» mit Quarantäneauflagen

für Einreisende war zuletzt vor allem Schleswig-Holstein in die
Kritik geraten. Auch die Regelung in Rheinland-Pfalz wirkt ähnlich.
Beide Landesregierungen zeigten sich kompromissbereit.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte in Kiel, es bestehe
«eine grundsätzliche Absicht, unsere Regelungen anzupassen»; auch
sein Land wolle eine bundeseinheitliche Regelung. Seine Mainzer
Kollegin Malu Dreyer (SPD) erklärte: «Im Sinne der
Nachvollziehbarkeit und der Verständlichkeit dieser Regelungen
streben wir weiterhin einen möglichst bundeseinheitlichen
Regelungsrahmen an und werden nicht apodiktisch an der eigenen
Regelung festhalten.»

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen etwa in Berlin hatten
Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz Beschränkungen mit Quarantäne
für Einreisende aus deutschen Gebieten mit sehr hohen
Infektionszahlen verhängt. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gelten sie,
allerdings nicht für einzelne Berliner Bezirke. Andere Länder weisen
gar keine inländischen Gebiete mit höherem Risiko für Ansteckungen
aus.

Zentrales Kriterium ist, dass es in einer Region mehr als 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen gibt. Anhand
dieser Schwelle stuft die Bundesregierung auch andere Staaten als
«Risikogebiete» für deutsche Urlauber ein. Im Inland haben Bund und
Länder vereinbart, dass ab dieser Marke in «besonders betroffenen
Gebieten» örtliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Der Städte- und Gemeindebund forderte eine «Muster-Corona-Verordnung»

mit wenigen bundeseinheitlichen Maßstäben - etwa damit, dass für das

Infektionsgeschehen nicht einzelne Stadtteile, sondern die jeweilige
Stadt maßgeblich sein sollte. Thüringens Ministerpräsident Bodo
Ramelow (Linke) sagte dem «Spiegel» (Dienstag): «Reisebeschränkunge
n
im Inland sind das falsche Signal und nicht hilfreich.» Der Deutsche
Tourismusverband warnte vor Verunsicherung und forderte einen Rahmen
für das Reisen innerhalb Deutschlands. Bundeswirtschaftsminister
Peter Altmaier (CDU) sagte der «Bild»-Zeitung, es gebe inzwischen so

eine große Zahl unterschiedlicher Regelungen, dass es für Bürger
immer schwerer werde, dies zu durchschauen und zu erkennen.

Die Zahl der registrierten Neuinfektionen in Deutschland hat zum
zweiten Mal binnen weniger Tage die Schwelle von 2600 überschritten.
Innerhalb eines Tages meldeten die Gesundheitsämter 2639 neue Fälle,
wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Dienstagmorgen bekanntgab. Das
sind etwas weniger als am Freitagmorgen, als mit 2673 Neuinfektionen
der höchste Wert seit der zweiten Aprilhälfte gemeldet worden war.

In Brandenburg ist die Corona-Maske ab einem regionalen Grenzwert für
Neuinfektionen ab diesem Sonntag auch Pflicht in Bürogebäuden, wie
die Landesregierung ankündigte. Obergrenzen für private Feiern werden
verschärft. In Frankfurt am Main soll voraussichtlich von diesem
Freitag an bis Ende kommender Woche für Gaststätten eine Sperrstunde
von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr greifen. Auf Plätzen, Straßen und
Grünflächen wird Alkoholkonsum verboten. In Einkaufspassagen und
großen Einkaufsstraßen wird eine Maskenpflicht eingeführt. Die Stadt

Wuppertal untersagte vorerst Martinsumzüge. Private Feiern,
Hochzeiten und Beerdigungen werden auf 50 Teilnehmer begrenzt.