Kommission: Moratorium bei Keimbahneingriffen nicht durchsetzbar
Die sogenannte Genschere Crispr eröffnet der Forschung neue
Möglichkeiten. Mit diesem Instrument kann das Erbgut von Lebewesen
verändert werden. Über die Folgen hat die Bioethik-Kommission des
Landes drei Jahre lang beraten. Jetzt liegt der Bericht vor.
Mainz (dpa/lrs) - Die rheinland-pfälzische Bioethik-Kommission hält
das vom Deutschen Ethikrat empfohlene internationale Moratorium zu
klinischen Anwendungen von Keimbahneingriffen «weder für zielführend
noch für durchsetzbar». Das teilte Justizminister Herbert Mertin
(FDP) am Dienstag bei der Vorstellung des 62-seitigen
Abschlussberichts der Kommission zu der sogenannten Genschere
Crispr/Cas19 mit. Mit diesem Instrument kann das Erbgut fast jedes
Lebewesens, einschließlich des Menschen, verändert werden.
Der Deutsche Ethikrat hatte im vergangenen Jahr eine Stellungnahme zu
Keimbahneingriffen veröffentlicht - also Eingriffen in das Erbgut von
Nachkommen, die ihrerseits an die Nachkommen weitergegeben werden.
Darin hieß es, solche Verfahren seien derzeit aufgrund der Risiken
unzulässig, ethisch aber nicht grundsätzlich auszuschließen.
Mertin sagte, Deutschland müsse sich Gedanken machen, wie das Thema
der klinischen Anwendungen von Keimbahneingriffen gesetzlich geregelt
werden könne. Der internationale Entwicklungsdruck lasse es nicht zu,
dass der bundesdeutsche Gesetzgeber weiter darauf warte, nationale
Antworten auf die Fragen zu finden.
Auch wenn zum gegenwärtigen Stand der Forschung ein Keimbahneingriff
noch nicht vertretbar sei, könnten nach Auffassung der Kommission
Fälle denkbar sein, in denen schweres menschliches Leiden durch eine
entsprechende Therapie vermieden werden könne, ohne dass
unvertretbare Risiken zu befürchten wären, erklärte der Minister. Die
Wahrnehmung der darin liegenden Chancen solle eher gefördert als
verhindert werden. Hierbei sei vorauszusetzen, dass schwere Neben-
und Negativfolgen ausgeschlossen werden können.
Die Kommission unter Vorsitz Mertins beschäftigte sich rund drei
Jahre mit dem Thema aus ethischer, sozialer, rechtlicher und
wirtschaftlicher Perspektive. Dem Gremium gehören rund 20
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Ethik, Theologie,
Medizin, Natur- und Rechtswissenschaften sowie Vertreterinnen und
Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften und zuständigen
Landesministerien an. Die Bioethik-Kommission soll die
Landesregierung frühzeitig über die Einordnung neuer Technologien und
ihre möglichen Folgewirkungen beraten.
«Ein praktisches Regierungshandeln wird sich aus dem Bericht nicht
ableiten», erklärte der Minister. Die Kommission habe sich bei ihrer
Arbeit auf die Beantwortung von Fragestellungen rund um den Eingriff
in die menschliche Keimbahn konzentriert und andere Themen im
Zusammenhang mit Crispr ausgeklammert, um den Rahmen des Berichts
nicht zu sprengen.