Schleswig-Holstein signalisiert Einlenken bei Corona-Risikogebieten

Schleswig-Holstein ist zu einer zu Änderung seiner kritisierten
Einstufung von inländischen Corona-Risikogebieten bereit. Das Land
ist für eine bundeseinheitliche Regelung offen. Bereits am Mittwoch
könnte eine Entscheidung fallen.

Kiel (dpa/lno) - Möglicherweise können Berliner aus Bezirken mit
hohen Corona-Zahlen doch noch Schleswig-Holstein als Reiseziel für
ihren Herbsturlaub wählen. Schleswig-Holstein ist grundsätzlich
bereit, seine bisherige Einstufung von inländischen
Corona-Risikogebieten zu ändern. «Wir haben im Kabinett heute
intensiv beraten und es besteht eine grundsätzliche Absicht, unsere
Regelungen anzupassen», sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU)

am Dienstag nach der Kabinettssitzung in Kiel. Schleswig-Holstein
wolle eine bundeseinheitliche Regelung.

Wegen der Ausweisung inländischer Risikogebiete mit
Quarantäneauflagen für Einreisende - aktuell zum Beispiel für
Urlauber aus vier Berliner Bezirken mit hohen Corona-Zahlen und aus
den Städten Hamm und Remscheid in Nordrhein-Westfalen ebenfalls mit
hohen Corona-Zahlen - ist Schleswig-Holstein in die Kritik geraten.
Allein in Berlin gilt die Regelung für 1,3 Millionen Menschen.

«Schleswig-Holstein hat sich gestern bereits auf Ebene der
Staatskanzleien und in der Konferenz der Gesundheitsminister für eine
bundesweit einheitliche Regelung in Bezug auf die innerdeutschen
Risikogebiete stark gemacht, auch unter Preisgabe unserer seit Ende
Juni bestehenden Regelung», sagte Günther. «Bisher stieß dies leide
r
auf wenig Widerhall. «Vor diesem Hintergrund begrüßen wir die heutige

Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten, morgen einen erneuten
Anlauf zu wagen.»

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte am Dienstag
möglichst einheitliche Quarantäne-Regeln aller Bundesländer für
Reisende aus innerdeutschen Corona-Hotspots. Dazu werde es am
Mittwoch eine Schalte der Chefs der Staatskanzleien der Länder geben,
kündigte Söder vor einer Kabinettssitzung in München an. Dies werde
Bayern abwarten. «Ich fände eine einheitliche Regelung in Deutschland
sicherlich gut», betonte Söder. Er verwies aber darauf, dass es in
den bayerischen Corona-Regularien schon jetzt die Möglichkeit gäbe,
ein Beherbergungsverbot für Reisende aus Corona-Hotspots zu erlassen
- «außer man testet sich frei». Söder (CSU) warnte, in Berlin sei d
ie
Situation «am Rande der Nicht-mehr-Kontrollierbarkeit».

Angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen etwa in Berlin hat
neben Schleswig-Holstein auch Rheinland-Pfalz Einreisebeschränkungen
mit Quarantäneregeln und Pflichttests für Reisende aus innerdeutschen
Hotspots festgelegt. «Es spricht viel dafür, diese Regelung von
Schleswig-Holstein und auch Rheinland-Pfalz auch in Bayern
anzuwenden», sagte Söder. Es solle aber zunächst versucht werden, zu

einer «national halbwegs verbindlichen Sprachregelung» zu kommen.

«Das wäre auch für die Bürger am Besten», betonte Söder und war
nte
vor einem neuen «Flickenteppich». «An der Stelle gibt es wieder
unglaublich viel Verwirrung und unglaublich viel Verunsicherung.» Man
brauche deshalb auf jeden Fall bis zum Beginn der Herbstferien in den
anderen Bundesländern eine einheitliche Sprachregelung. Es gebe aber
derzeit noch «große Diskussionen» über das weitere Vorgehen.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hatte am Montag im
«ZDF-Morgenmagazin» Schleswig-Holstein vorgeworfen, einen Sonderweg
zu gehen, der bei der Corona-Eindämmung nicht helfen werde. Wenn
jetzt Reisegebiete in Deutschland gesperrt werden, «dann kommen wir
in eine Situation, die schwer zu rechtfertigen ist», sagte
Lauterbach. «Wir müssen die Virusbekämpfung und die Beherrschung der

Pandemie in den Hotspots in den Vordergrund nehmen, nicht wohin die
Leute reisen können.» Die Menschen müssten Urlaub in Deutschland
machen können - «genauso wie wir es empfehlen».

Für Urlauber oder Urlaubs-Rückkehrer hat die Einstufung als
Risikogebiet zur Folge, dass sie sich in Schleswig-Holstein sofort 14
Tage in Quarantäne begeben oder zwei negative Corona-Tests vorweisen
müssen. Einer der beiden Tests darf frühestens fünf Tage nach der
Einreise in Schleswig-Holstein gemacht werden. Erst wenn die
negativen Ergebnisse für beide Tests vorliegen, darf die Quarantäne
verlassen werden.

De facto bedeuten diese Corona-Regelungen in Schleswig-Holstein, dass
mehr als 1,3 Millionen Berliner aus den vier betroffenen Bezirken in
den Herbstferien praktisch keinen Urlaub in Schleswig-Holstein machen
können - ebenso die Einwohner von Hamm und Remscheid. Berlin hat
insgesamt knapp 3,8 Millionen Einwohner.

Als Grundlage für die Einstufung dient die Inzidenz, also die Zahl
der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben
Tagen. Dieser Wert darf nicht höher als 50 sein. Anders als andere
Bundesländer nimmt Schleswig-Holstein nicht den Inzidenz-Wert von
ganz Berlin, sondern - wie auch das Robert Koch-Institut - der
einzelnen Bezirke. Für ganz Berlin betrug nach Angaben des Senats der
aktuelle Inzidenz-Wert Stand Montag 41,5 Fälle - in Neukölln war er
mit 87,6 am höchsten und in Marzahn-Hellersdorf mit 17,4 am
niedrigsten.

Ministerpräsident Günther betonte, Ziel müsse «der Schutz gerade de
r
vulnerablen Gruppen bei uns im Land sein, gleichzeitig brauchen wir
aber eine praktikable Lösung zum Umgang mit Reisen in und aus
innerdeutschen Hotspots. Wir werden daher das Ergebnis der morgigen
Beratungen abwarten und anschließend über unser weiteres Vorgehen
abschließend entscheiden.» Letztendlich liege die Verantwortung für
eine wirksame Pandemiebekämpfung im regionalen Ausbruchsmanagement.
«Hier ist der Berliner Senat jetzt gefordert», sagte Günther.