Direktor von Charité-Institut will neuen Bezug für Corona-Werte

Berlin (dpa) - Aus Sicht des Direktors am Institut für Epidemiologie
an der Charité Berlin, Professor Stefan Willich, fehlt für die
statistische Einschätzung der Corona-Zahlen ein «vernünftiger
Bezugsrahmen». Vor fünf Monaten sei der Schwellenwert von 50
sogenannten Neuinfektionen pro Woche pro 100 000 Einwohner definiert
worden. «Das schien damals präzise, war aber eigentlich immer nur ein
grober Anhaltspunkt», sagte Willich am Dienstag im RBB-Inforadio.
Jetzt werde mehr getestet als im Frühjahr. «Das heißt, allein wegen
der Anzahl der Testung ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass man
hier diese Zahl mal überschreitet. Dann gibt es keinen vernünftigen
Bezugsrahmen.»

Nach den Worten Willichs müssten sich die Zahlen beziehen auf
repräsentative Stichproben, die jetzt erst beginnen. «Ich denke, das
wird in den nächsten Wochen auch auf der Basis von neuen Stichproben
und Erhebungen noch einmal anders definiert werden müssen», sagte
Willich. Damit könnten die Werte besser und realistischer eingeordnet
werden.

Willich geht davon aus, dass allgemeine Schutzvorkehrungen wie
Abstand halten, Tragen von Mund-Nase-Schutz und die Nachverfolgung
von klinisch erkrankten Fällen und ihren Kontakten längere Zeit
notwendig sind. «Das werden die Stützpfeiler einer langfristigen
Strategie sein. Wir müssen längerfristig mit diesen Maßnahmen gut
leben, dann wird das Pandemiegeschehen auch im Griff bleiben.» Zudem
müssten Risikopatienten in Altersheime, Pflegeheime oder
Krankenhäuser besonders gut geschützt werden.