Corona-Infektionszahlen steigen weiter - neuer Handlungsleitfaden

In vier Landkreisen in Niedersachsen gibt es derzeit Corona-Hotspots,
die Einschränkungen im öffentlichen Leben notwendig machen. Den
örtlichen Behörden hilft nun ein neuer Handlungsleitfaden mit
verschiedenen Eskalationsstufen.

Hannover (dpa/lni) - Nach wie vor steigt die Zahl der Corona-Fälle in
Niedersachsen. Zu einem Schwerpunkt des Infektionsgeschehens hat sich
in den vergangenen Tagen der Westen des Landes entwickelt. Allen
voran der Landkreis Vechta, aber auch die benachbarten Kreise
Cloppenburg und Emsland melden kritische Werte.

Landesweit meldete das Sozialministerium in Hannover (Stand: 9.00
Uhr) einen Zuwachs der laborbestätigten Fälle um 175 auf insgesamt 21
234 Infektionen. Gesundheitsministerin Carola Reimann und
Innenminister Boris Pistorius (beide SPD) haben einen neuen
Handlungsleitfaden vorgestellt.

KREIS VECHTA: Der Landkreis Vechta mit rund 140 000 Einwohnern ist
derzeit die Region mit den meisten Corona-Neuinfektionen. Der
Statistik des Landesgesundheitsamtes zufolge haben sich dort in den
vergangenen sieben Tagen rechnerisch 54,6 Menschen pro 100 000 neu
mit Sars-CoV-2 infiziert. Hintergrund sind Ende der vergangenen Woche
bekanntgewordene Infektionen in einem Pflegeheim unter Bewohnern und
Mitarbeitern. Zwei betroffene Bewohner sind am Wochenende im Alter
von 92 und 84 Jahren gestorben. Weil sich das Ausbruchsgeschehen im
Wesentlichen auf das Altenheim beschränkt, sind in dem Landkreis
bislang keine Einschränkungen des öffentlichen Lebens geplant, die
über die grundsätzlichen Corona-Schutzmaßnahmen des Landes
hinausgehen, sagte ein Kreissprecher.

KREIS CLOPPENBURG: Der Nachbarkreis Cloppenburg kämpft schon seit
drei Wochen gehen sehr hohe Infektionszahlen. Aktuell meldet das
Landesgesundheitsamt dort 48,6 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner
in den vergangenen sieben Tagen. Als Reaktion hatte der rund 170 000
Einwohner zählende Landkreis die Verlängerung von Schutzmaßnahmen
zunächst bis zum 11. Oktober verfügt. Demzufolge ist Mannschafts-
oder Einzelsport derzeit nicht erlaubt, ab der 5. Jahrgangsstufe gilt
die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes auf dem gesamten
Schulgelände und auf dem Schulweg. Ausgenommen sind Grund- und
Förderschulen.

KREIS EMSLAND: Auch der an die Niederlande grenzende Landkreis
Emsland mit rund 320 000 Einwohnern kämpft seit dem Ausbruch von
Corona unter Mitarbeitern eines Schlachthofs in Sögel mit stark
angestiegenen Infektionszahlen. Dort wurden Stand Sonntag 81 positive
Fälle ermittelt. Aktuellen Angaben des Landes zufolge wurden in
diesem Landkreis in den vergangenen sieben Tagen 42,2 Fälle pro
100 000 Einwohner registriert. Um die Verbreitung des Virus zu
verlangsamen, verfügte der Kreis für die Samtgemeinde Sögel
Einschränkungen des öffentlichen Lebens. So dürfen sich dort sowohl
im öffentlichen als auch im privaten Bereich nicht mehr als sechs
Personen treffen. Ausgenommen sind Treffen von engen
Familienangehörigen oder von zwei Hausständen. Die Ausübung von
Mannschafts- oder Kontaktsportarten ist vorerst untersagt;
Schülerinnen und Schüler ab der Jahrgangsstufe 5 müssen in Sögel
Mund-Nasen-Schutz auch während der Unterrichtsstunden tragen.

KREIS WESERMARSCH: In dem Landkreis Wesermarsch wurden am Montag 36,1
Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen
registriert. In der Gemeinde Lemwerder wurden daraufhin alle Schulen,
Kindergärten und Kitas geschlossen. Am Freitag waren eine
Kita-Erzieherin und ein Sechstklässler positiv auf Corona getestet
worden. Weitere Fälle kamen am Wochenende hinzu.

NEUER HANDLUNGSLEITFADEN: Das am Montag von Gesundheits- und
Inneministerium vorgestelle Konzept richtet sich an die zuständigen
Behörden vor Ort und beinhaltet Handlungsempfehlungen anhand von
verschiedenen Szenarien und Warnstufen. Maßstab für diese Warnstufen
ist weiterhin die Zahl der Neuinfizierten pro 100 000 Einwohner in
den Landkreisen binnen einer Woche. Ab einer Inzidenz von 20
empfiehlt sich demnach über die in der Corona-Verordnung
vorgeschriebenen Maßnahmen hinaus die Prüfung weiterer
Kontaktbeschränkungen und Restriktionen für private wie öffentliche
Veranstaltungen. Bei einem sehr starken oder sogar eskalierenden
Infektionsgeschehen ab 50 könnten dann zusätzlich örtliche, regionale

oder im Extremfall landesweite Einschränkungen ergriffen werden. Eine
bestimmte Inzidenz werde aber nicht automatisch eine neue Vorgabe
auslösen, sagte Innenminister Boris Pistorius (SPD). Die jeweilige
Situation müsse im Einzelfall betrachtet werden.

OBERGRENZEN FÜR PRIVATE TREFFEN: Zum ersten Mal im Laufe der
Corona-Pandemie will die Landesregierung auch private Treffen in den
eigenen vier Wänden beschränken. Je nach Infektionsgeschehen können
die Obergrenzen dabei regional unterschiedlich ausfallen. Als
Richtwerte zur Inzidenz sieht der derzeit in der Abstimmung
befindliche Entwurf vor: Bei 0 bis 35 Neuinfektionen dürfen sich in
privaten Räumlichkeiten bis zu 25 Menschen treffen, draußen auf
privatem Gelände bis zu 50. Ab 35 Neuinfektionen dürfen sich, egal ob
drinnen oder draußen, nur noch bis zu 25 Menschen auf privatem Grund
treffen und ab 50 Neuinfektionen höchstens zehn.

Anders sieht es in öffentlichen Räumen aus, etwa in der Gastronomie.
Dort sollen bis zu 100 Teilnehmer erlaubt werden. Diese Obergrenze
könnte den Richtwerten für die Neuinfektionen entsprechend zunächst
auf 50 und dann auf 25 Gäste gesenkt werden. In allen Szenarien
gelten zudem die Vorgaben zum Abstand halten und Maske tragen.

SCHULFERIEN: Ende der Woche beginnen die Herbstferien in
Niedersachsen. Sollte das Verbot der Sportausübung in Sögel oder dem
Kreis Cloppenburg fortgesetzt werden, wären davon auch die
Schülerinnen und Schüler betroffen. Generelle Reiseverbote für Bürg
er
aus Landkreisen und Kommunen mit besonders hohen Infektiosquoten gibt
es in Niedersachsen aber nicht. Die aktuelle Corona-Verordnung
Niedersachsens sieht kein Beherbergungsverbot oder Einschränkungen
für Reisen vor, im Unterschied zu anderen Bundesländern. Hier sind
aber nicht die vom Land Niedersachsen veröffentlichten Corona-Zahlen
ausschlaggebend, sondern die Statistik des Robert-Koch-Instituts.