Spahn hofft auf schnelle Umsetzung von Pflegereform

Gesundheitsminister Spahn will die Pflegeheimkosten begrenzen,
Pflegekräfte besser bezahlen und Angehörige entlasten. Eine
entsprechende Reform soll von der großen Koalition möglichst noch
beschlossen werden, bevor im nächsten Jahr ein neuer Bundestag
gewählt wird.

Berlin (dpa) - Gesundheitsminister Jens Spahn setzt auf eine
Umsetzung seiner geplanten Pflegereform noch vor der Bundestagswahl
im kommenden Jahr. In der großen Koalition werde man jetzt
besprechen, ob und was in dieser Legislaturperiode noch gehe, sagte
der CDU-Politiker am Montag in Berlin. Idealerweise komme es noch zu
entsprechenden Entscheidungen und zur Gesetzgebung.
Verbraucherschützer und Sozialverbände begrüßten die Pläne am Mon
tag
zwar grundsätzlich, äußerten aber Zweifel, ob die Reform wirklich zu

einer finanziellen Entlastung von Pflegebedürftigen und Angehörigen
führen wird.

Spahn hatte dafür am Wochenende Vorschläge gemacht. Konkret plant er
eine Begrenzung eines Teils der Kosten, die Heimbewohner oder
Angehörige für einen Pflegeheimplatz tragen müssen. Demnach soll der

Eigenanteil für die reine Pflege künftig für längstens 36 Monate
maximal 700 Euro im Monat betragen. Im Schnitt lagen die Kosten dafür
zuletzt bei 786 Euro. «Was wir wollen, ist vor allem einen Rahmen
setzen, der Pflege kalkulierbarer macht», sagte Spahn.

Zusätzlich müssen Betroffene oder Angehörige allerdings auch noch f
ür
Unterkunft, Verpflegung und Investitionen der Heime zahlen. Zuletzt
wurden für diese Kosten plus den Anteil für die reine Pflege im
bundesweiten Schnitt zusammen 2015 Euro pro Monat fällig, wie aus
Daten des Verbandes der Ersatzkassen (Stand 1. Juli) hervorgeht.

Die Verbraucherzentrale Bundesverband sieht daher auch keine
wirkliche finanzielle Entlastung. Spahns Vorschläge seien bestenfalls
halbherzig und lösten nicht das Problem, teilte Vorstand Klaus Müller
am Montag mit. Angesichts einer Durchschnittsrente von 1500 Euro
seien auch mit einer Deckelung des Pflegeanteils auf 700 Euro die
Gesamtkosten für die meisten Pflegebedürftigen weiterhin viel zu
hoch. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, der Vorschlag, die
Eigenanteile der Versicherten zu begrenzen, gehe in die richtige
Richtung. «Es sind aber nur politische Trippelschritte auf dem Weg zu
einer echten Reform in der Pflegeversicherung.» Auch vom
Sozialverband VdK hieß es am Montag, der Kostendeckel reiche nicht.

Vom Koalitionspartner SPD kamen Forderungen an Spahn, die Pläne zu
ändern. Generalsekretär Lars Klingbeil bezeichnete die Begrenzung des
Eigenanteils in der «Bild» zwar als «lange überfällig». Der Vor
schlag
enthalte aber «einen typischen konservativen Rechenfehler», da nicht
berücksichtigt worden sei, «dass diejenigen, die hohe Einkommen und
hohe Vermögen haben, mehr leisten können». Klingbeil forderte eine
stärkere Berücksichtigung des Einkommens bei den Pflegekosten. Aus
Kreisen des Gesundheitsministeriums hieß es am Montag, darüber könne

man reden.

Spahns Reformpläne sehen außerdem eine bessere Bezahlung der
Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen vor. Pflegeheime sollen künftig
nach Tarif bezahlen, wenn sie mit der Pflegeversicherung Leistungen
abrechnen wollen. Zudem sollen Leistungen für pflegende Angehörige
übersichtlicher werden und leicht steigen. Wird beispielsweise ein
pflegender Angehöriger krank und braucht eine Aushilfe, zahlt die
Pflegeversicherung maximal 1612 Euro im Jahr dafür (sogenannte
Verhinderungshilfe). Muss ein zu Hause gepflegter Angehöriger ins
Krankenhaus und ist anschließend für kurze Zeit auf stationäre Pflege

angewiesen, gibt es dafür auch maximal 1612 Euro von der Pflegekasse.
Spahn plant nun ein «Entlastungsbudget» in Höhe von 3330 Euro. Das
soll dann jeder, der einen Angehörigen mit Pflegegrad zwei bis fünf
pflegt, «flexibel» ausgeben können, wie es aus Ministeriumskreisen
hieß.

Insgesamt rechnet der Gesundheitsminister bei seiner Reform mit
Mehrkosten von rund sechs Milliarden Euro. Höhere Pflegebeiträge
sollen dafür vermieden werden. Stattdessen setzt er zum großen Teil
auf eine Finanzierung aus Steuergeldern. «Pflege ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe.» Deswegen sei das richtig, sagte
Spahn. «Pflege ist die soziale Frage der 20er Jahre.» Jeder in die
Pflege investierte Euro sei eine Investition in Mitmenschlichkeit
einer alternden Gesellschaft.