«Ein gewaltiger Sprung nach vorn» - Nobelpreis für Virusforscher Interview: Steffen Trumpf, dpa

Zwei US-Amerikaner und ein Brite teilen sich in diesem Jahr den
Medizin-Nobelpreis. Sie haben das Virus hinter einer potenziell
tödlichen Krankheit entdeckt - und von ihrer Forschung profitieren
Wissenschaftler im Kampf gegen Corona noch heute.

Stockholm (dpa) - Die diesjährigen Medizin-Nobelpreisträger Harvey J.

Alter, Michael Houghton und Charles M. Rice haben der Menschheit mit
der Entdeckung des Hepatitis-C-Virus einen großen Dienst erwiesen.
Ihre Forschung nützt letztlich auch dem aktuellen Kampf gegen das
Coronavirus, wie eine Expertin der Nobelversammlung, Maria Masucci,
im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Stockholm
unterstreicht.

Frage: Warum ist die Entdeckung des Hepatitis-C-Virus durch die
diesjährigen Preisträger so wichtig gewesen?

Antwort: Weil das Krankheitsrisiko sehr hoch war, bevor man die
Träger identifizieren konnte. Sehr hoch im Sinne von sehr bedrohlich.
Dieses Virus wird durch Blutkontakt übertragen, ein wenig wie HIV. Es
wird nicht so sehr sexuell übertragen, sondern zum Beispiel, wenn man
operiert wird, zum Zahnarzt geht, ein Tattoo bekommt - überall, weil
die Überträger unbekannt waren.

Frage: Wie steht es derzeit um den Kampf gegen Hepatitis?

Antwort: Das Screening auf Hepatitis C und Hepatitis B ist weit
verbreitet. Unglücklicherweise gibt es noch immer viele Träger in
einigen Weltteilen. Hepatitis C ist weltweit verbreitet, aber vor
allem in einigen Teilen Europas wie Russland und Osteuropa. Hepatitis
B ist besonders in Asien verbreitet. Wir haben also einen langen Weg
hinter uns, sind aber noch nicht am Ziel. Es gibt noch eine Menge zu
tun. Lassen Sie es mich so sagen: Die Wissenschaft hat getan, was sie
konnte. Jetzt ist die Gesellschaft dran.

Frage: Inwiefern nutzt die Forschung der Preisträger auch dem Kampf
gegen das Coronavirus?

Antwort: Ich denke, die Wissenschaft hat verglichen mit der Zeit, als
diese Forscher ihre Entdeckungen gemacht haben, einen gewaltigen
Sprung nach vorne gemacht. Hepatitis C war das erste Virus, das durch
molekulare Methoden entdeckt wurde. Es hat Jahre gedauert, bis man
vom Wissen über einen möglichen Infektionserreger zur Identifizierung
eines Kandidaten gekommen ist, vielleicht 15 Jahre. Jetzt hat es
ungefähr 15 Tage gedauert, um den Geheimnissen des Coronavirus auf
den Grund zu gehen. Der Fortschritt bei Corona ist dramatisch und
extrem schnell gewesen. Gleichzeitig haben wir ein Verständnis dafür,
dass jedes Virus anders ist und seine eigenen Strategien hat. Dabei
ist das Hepatitis-C-Virus ein RNA-Virus, wie das Coronavirus. Es ist
nicht dieselbe Familie, aber viele Charakteristika sind zumindest
ähnlich.

Frage: War es in diesem Jahr zu früh für einen Preis für die
Forschung im Kampf gegen Corona?

Antwort: Es ist ein bisschen zu früh, um zu verstehen, ob einer der
vielen, vielen Fortschritte, die beim Verstehen des Coronavirus
gemacht wurden, eine wirklich bahnbrechende Entdeckung ist. Deshalb
wird das eine kleine Weile dauern.

ZUR PERSON: Maria Masucci ist Mitglied der Nobelversammlung des
Karolinska-Instituts in Stockholm. Dort ist sie Professorin für
Virologie am Institut für Zell- und Molekularbiologie.