Kritik an Trumps Klinik-Ausflug trotz Corona-Infektion

US-Präsident Trump zeigt nicht gerne Schwäche. Auch wenn sein Zustand
ernster war als zunächst dargestellt, bewegte sich der Corona-Patient
am Sonntag sogar außerhalb des Krankenhauses - und löste Kritik aus.

Washington (dpa) - Trotz seiner Corona-Infektion hat US-Präsident
Donald Trump kurzzeitig das Krankenhaus verlassen und sich bei einer
Fahrt im gepanzerten Wagen von Anhängern bejubeln lassen. In den USA
meldeten sich Ärzte und Wissenschaftler zu Wort und warfen dem
74-Jährigen gefährliches Verhalten vor. Das Weiße Haus hatte die
Aktion am Sonntag vor dem Walter-Reed-Krankenhaus nördlich von
Washington verteidigt, die Fragen zur Sicherheit der anderen Personen
im Wagen aufgeworfen hatte.

Am Montag gab es zunächst keine neuen Informationen zu Trumps
Gesundheitszustand und ob eine Entlassung aus dem Krankenhaus
bevorstehen könnte. Trump setzte in der Früh innerhalb von 30 Minuten
16 Tweets ab, in denen er für seine Wiederwahl am 3. November warb.

Trumps Corona-Infektion war am Freitag kurz nach Mitternacht
US-Ostküstenzeit bekanntgeworden. Es ist davon auszugehen, dass er
noch ansteckend sein könnte. US-Medienberichten zufolge saß Trump mit
zwei Mitarbeitern des Secret Service in dem gepanzerten Wagen, mit
dem er an den Fans vorbeigefahren wurde. Auf Fotos war zu erkennen,
dass der Beifahrer ein Plastikvisier über dem Gesicht, eine
Atemschutzmaske und einen medizinischen Schutzanzug zu tragen schien.
Trump trug lediglich eine Stoffmaske.

«Die Verantwortungslosigkeit ist erstaunlich», schrieb der am
Walter-Reed-Krankenhaus tätige Mediziner James P. Phillips auf
Twitter und sprach von einem «politischen Theater», das andere in
Lebensgefahr bringe. «Jede einzelne Person in dem Fahrzeug während
dieser völlig unnötigen präsidentiellen Vorbeifahrt muss jetzt für
14
Tage in Quarantäne. Sie könnten krank werden, sie können sterben. F
ür
politisches Theater. Befohlen von Trump, um ihre Leben für Theater zu
riskieren. Das ist Wahnsinn», schrieb Phillips.

«Eine wirkliche Demonstration der Stärke ist es, ein wahres
Verständnis für die Schwere der Pandemie zu zeigen», schrieb der
US-Historiker Julian Zelizer auf Twitter und warf Trump vor, Menschen
für seinen eigenen Vorteil unnötig in Gefahr gebracht zu haben. Der
Arzt und Wissenschaftler Eric Topol nannte es «absurd», dass die
Ärzte die Fahrt erlaubt hätten. Trotz des Optimismus der Mediziner
habe man beim Coronavirus oft einen steilen Absturz des Zustands des
Patienten sieben bis zehn Tage nach den ersten Symptomen erlebt.
Optimismus könne verfrüht sein.

Nachdem Trump am Freitagabend - keine 24 Stunden nach seinem
positiven Corona-Test - per Hubschrauber in das Krankenhaus gebracht
worden war, hatte es widersprüchliche Angaben zu seinem
Gesundheitszustand gegeben. Am Sonntag gaben die die Ärzte
schließlich zu, dass der Verlauf der Krankheit schwerer war als
zunächst dargestellt. Das spiegelten auch die Medikamente wider. Weil
seine Sauerstoffwerte zwei Mal fielen, wurde Trump das Steroid
Dexamethason verabreicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO)
empfiehlt den Wirkstoff bei der Behandlung schwerkranker Patienten.
Sie rät aber davon ab, dass Patienten mit einem leichten Verlauf mit
Wirkstoffen aus der Gruppe der Kortikosteroide behandelt werden.

Dennoch stellte der Arzt Brian Garibaldi eine baldige Entlassung aus
der Klinik in Aussicht. Sollte es Trump weiterhin so gut gehen wie am
Sonntag, «hoffen wir, dass wir für eine Entlassung ins Weiße Haus
bereits morgen planen können». Die Behandlung könnte dann dort
fortgesetzt werden.

In einer unmittelbar vor seinem Ausflug veröffentlichten
Videobotschaft auf Twitter hatte Trump gesagt: «Wir bekommen
großartige Berichte von den Ärzten.» Er lobte seine Anhänger vor de
r
Klinik als «großartige Patrioten» und beschrieb seine Erkrankung als

lehrreiche Erfahrung. «Es war eine interessante Reise. Ich habe viel
über Covid erfahren.»

Nach Trumps Infektion waren auch zahlreiche Ansteckungen in seinem
persönlichen Umfeld bekannt geworden. Außer Ehefrau Melania Trump
wurden unter anderem auch seine Beraterin Hope Hicks, sein Assistent
Nicholas Luna sowie Wahlkampfchef Bill Stepien positiv auf das Virus
getestet.

Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl am 3. November wurden
persönliche Auftritte des Republikaners bis auf Weiteres abgesagt.
Trumps Herausforderer, der Demokrat Joe Biden (77), ist weiterhin
unterwegs - anders als Trump zuvor weiter mit Maske. Sein Team
verkündete am Sonntag, dass Biden erneut negativ auf das Coronavirus
getestet worden sei.

Es ist nicht klar, wann Trump das letzte Mal negativ getestet wurde
und wann genau er das erste Mal ein positives Testergebnis erhielt.
Seine Sprecherin Kayleigh McEnany machte am Sonntag laut Journalisten
im Weißen Haus keine eindeutigen Angaben dazu.

Das «Wall Street Journal» berichtete, Trump habe das Ergebnis eines
ersten positiven Schnelltests am Donnerstag für sich behalten. Er
habe es bereits zum Zeitpunkt eines Fernsehinterviews gekannt, in dem
er lediglich die Infektion seiner engen Beraterin Hicks bestätigte.
Als Ergebnis des Schnelltests wurde entsprechend der Vorgaben im
Weißen Haus ein weiterer Test veranlasst. Schnelltests gelten als
weniger zuverlässig als Labortests.