Entsetzen über Trumps Klinik-Ausflug nach Corona-Infektion

US-Präsident Trump zeigt nicht gerne Schwäche. Auch wenn sein Zustand
ernster war als zunächst dargestellt, bewegte sich der Corona-Patient
am Sonntag sogar außerhalb des Krankenhauses - und löste damit
heftige Reaktionen aus.

Washington (dpa) - Mit blankem Entsetzen haben Ärzte und
Wissenschaftler auf die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump
reagiert, trotz seiner Infektion mit dem Coronavirus kurzzeitig das
Krankenhaus zu verlassen. Nachdem sich der 74-jährige Staatschef am
Sonntag (Ortszeit) bei einer Spritztour im gepanzerten Wagen vor dem
Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Bethesda (Maryland) von Anhängern
hatte bejubeln lassen, wurde ihm ein gefährliches Verhalten
vorgeworfen.

«Die Verantwortungslosigkeit ist erstaunlich», schrieb der am
Walter-Reed-Krankenhaus tätige Mediziner James P. Phillips auf
Twitter und sprach von einem «politischen Theater», das andere in
Lebensgefahr bringe. «Jede einzelne Person in dem Fahrzeug während
dieser völlig unnötigen präsidentiellen Vorbeifahrt muss jetzt für
14
Tage in Quarantäne. Sie könnten krank werden, sie können sterben. F
ür
politisches Theater. Befohlen von Trump, um ihre Leben für Theater zu
riskieren. Das ist Wahnsinn», schrieb Phillips.

Das Weiße Haus hatte die Aktion am Sonntag gegen Kritik verteidigt,
wonach der Schutz der anderen Personen in dem Wagen vernachlässigt
worden sei. Mit Blick auf die Sicherheit des Präsidenten erklärte ein
Sprecher des Weißen Hauses, Judd Deere, angemessene
Vorsichtsmaßnahmen seien getroffen worden. «Die Fahrt wurde vom
medizinischen Team als sicher eingestuft.»

«Menschen für seinen eigenen Vorteil unnötig in Gefahr bringen. Eine

durchgehende Linie seiner Präsidentschaft», befand der Historiker
Julian Zelizer auf Twitter. Die Rundfahrt zeige eher Schwäche als
Stärke. «Eine wirkliche Demonstration der Stärke ist es, ein wahres
Verständnis für die Schwere der Pandemie zu zeigen», schrieb Zelizer.


Der Arzt und Wissenschaftler Eric Topol sagte, es sei «absurd», dass
die Ärzte diesen Rundtrip erlaubt hätten. Trotz des Optimismus der
Mediziner habe man beim Coronavirus oft einen steilen Absturz des
Zustands des Patienten sieben bis zehn Tage nach den ersten Symptomen
erlebt. Optimismus könne verfrüht sein. Trumps Infektion war am
Freitag (Ortszeit) bekannt gegeben worden. Er könnte noch ansteckend
sein.

US-Medienberichten zufolge saß Trump mit zwei Mitarbeitern des Secret
Service in dem gepanzerten Wagen, mit dem er an den Unterstützern vor
dem Spital vorbeigefahren wurde. Auf Fotos war zu erkennen, dass der
Beifahrer ein Plastikvisier über dem Gesicht, eine Atemschutzmaske
und einen medizinischen Schutzanzug zu tragen schien. Trump trug
lediglich eine Stoffmaske.

In einer unmittelbar vor dem Ausflug veröffentlichten Videobotschaft
auf Twitter hatte Trump gesagt: «Wir bekommen großartige Berichte von
den Ärzten.» Er lobte seine Anhänger vor der Klinik als «großarti
ge
Patrioten» und beschrieb seine Erkrankung als lehrreiche Erfahrung.
«Es war eine interessante Reise. Ich habe viel über Covid erfahren.»


Nachdem Trump am Freitagabend - keine 24 Stunden nach seinem
positiven Coronatest - per Hubschrauber in das Krankenhaus gebracht
worden war, hatte es widersprüchliche Angaben zu seinem
Gesundheitszustand gegeben. Am Sonntag gaben die die Ärzte
schließlich zu, dass der Verlauf der Krankheit schwerer war als
zunächst dargestellt.

Dennoch stellte der Arzt Brian Garibaldi eine baldige Entlassung aus
der Klinik in Aussicht. Sollte es Trump weiterhin so gut gehen wie am
Sonntag, «hoffen wir, dass wir für eine Entlassung ins Weiße Haus
bereits morgen planen können». Die Behandlung könnte dann dort
fortgesetzt werden.

Nach Trumps Infektion waren auch zahlreiche Ansteckungen in seinem
persönlichen Umfeld bekannt geworden. Außer Ehefrau Melania Trump
wurden unter anderem auch seine Beraterin Hope Hicks, sein Assistent
Nicholas Luna sowie Wahlkampfchef Bill Stepien positiv auf das Virus
getestet.

Einen Monat vor der Präsidentschaftswahl am 3. November wurden
persönliche Auftritte des Republikaners bis auf Weiteres abgesagt.
Trumps Herausforderer, der Demokrat Joe Biden (77), ist weiterhin
unterwegs - anders als Trump zuvor weiter mit Maske. Sein Team
verkündete am Sonntag, dass Biden erneut negativ auf das Coronavirus
getestet worden sei.

Es ist nicht klar, wann Trump das letzte Mal negativ getestet wurde
und wann genau er das erste Mal ein positives Testergebnis erhielt.
Seine Sprecherin Kayleigh McEnany machte am Sonntag laut Journalisten
im Weißen Haus keine eindeutigen Angaben dazu.

Das «Wall Street Journal» berichtete, Trump habe das Ergebnis eines
ersten positiven Schnelltests am Donnerstag für sich behalten. Er
habe es bereits zum Zeitpunkt eines Fernsehinterviews gekannt, in dem
er lediglich die Infektion seiner engen Beraterin Hicks bestätigte.
Als Ergebnis des Schnelltests wurde entsprechend der Vorgaben im
Weißen Haus ein weiterer Test veranlasst. Schnelltests gelten als
weniger zuverlässig als Labortests.