Verband: Wartezeiten auf Psychotherapie sind zu lang

Die Corona-Krise hinterlässt auch in der Psyche ihre Spuren. Der
Landesverband Psychiatrie-Erfahrener befürchtet eine steigende Zahl
der Erkrankungen. Doch für einen Therapietermin braucht es einen
langen Atem.

Erfurt (dpa/th) - Der Verband für seelische Gesundheit in Thüringen
hat die nach wie vor langen Wartezeiten auf eine Psychotherapie im
Freistaat kritisiert. Es gebe immer noch eine Unterversorgung,
beklagte die Vorstandsvorsitzende des Landesverbandes
Psychiatrie-Erfahrener, Edith Handschuh, anlässlich der bundesweiten
Woche der seelischen Gesundheit.

Sie verwies auf eine Studie der Bundespsychotherapeutenkammer aus dem
Jahr 2018. Demnach müssen Patienten in Thüringen im Schnitt 23,7
Wochen auf eine Therapie warten. Der Freistaat bildet damit das
Schlusslicht unter den Ländern. «Hinzu kommt, das sehr viele
Psychotherapeuten keine Kassenpatienten behandeln und nur
Privatpatienten oder Selbstzahler akzeptieren», sagte Handschuh.

Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen gibt es derzeit mehr
als 450 ambulant tätige Psychotherapeuten im Land. Ihre Zahl habe
sich damit in den vergangenen zehn Jahren um 58 Prozent erhöht. Mit
dem neuen Bedarfsplan könne der Zulassungsausschuss in den kommenden
Monaten 17,5 neue Stellen für Psychotherapeuten vergeben.

Der Verband Psychiatrie-Erfahrener rechnet im Zuge der
Corona-Pandemie mit einem Anstieg psychischer Erkrankungen. «Wir
befinden uns im Herbst und somit in den dunklen Monaten», sagte
Handschuh. Depressionen bauten sich auf. Je länger daher die Krise
mit Einschränkungen, finanziellen Nöten durch Kurzarbeit oder
Jobverlust dauere, desto größer sei auch die Gefahr der Zunahme von
psychischen Erkrankungen. Ähnliches habe schon nach der Finanz- und
Wirtschaftskrise im Jahr 2008 beobachtet werden können.

Der Thüringer Landesverband Psychiatrie-Erfahrener ist eine im Jahr
2000 gegründete Selbsthilfeorganisation. Der Verband berät psychisch
kranke Menschen. Mit der alljährlichen Woche der seelischen
Gesundheit soll über derartige Erkrankungen aufgeklärt und über
bestehende Hilfsangebote informiert werden. In Thüringen werden dazu
in dieser Woche unter anderem in Erfurt und im Wartburgkreis
Gesprächsrunden, Workshops Lesungen und Musik angeboten.