Bollywood kämpft auch mit Regenschirmen gegen Corona Von Anne-Sophie Galli, dpa

Riesige Hochzeiten und viel Extravaganz: Das war einst Bollywood.
Doch die Pandemie hat auch die große Filmindustrie Indiens zum Wandel
gezwungen. Dabei gab es auch kreative Ideen.

Mumbai (dpa) - Wie dreht man heutzutage einen Film mit vielen
Menschen am Set, ohne dass am Schluss alle Corona haben? Der indische
Filmproduzent Jamnadas Majethia hatte die Idee, all seinen
Schauspielern und Crewmitgliedern einen Schirm in die Hand zu
drücken, den sie am Set fast immer tragen müssen. Nur wenn sie gerade
in einer Szene spielen und gefilmt werden, dürfen sie ihn ablegen. Er
erklärt: «Wenn Menschen miteinander reden oder arbeiten, vergessen
wir immer wieder, den Abstand einzuhalten. Wir sind halt soziale
Wesen.» Mit den Schirmen passiere das nicht.

In Indien - dem Land, wo es nach den USA am meisten bekannte
Corona-Fälle gibt und täglich rund 80 000 Neuinfektionen erfasst
werden - hat die Pandemie die große Bollywood-Filmindustrie
verändert, zumindest zeitweise. Zunächst wurden die Kinos im Frühling

im Zuge eines strikten Lockdowns geschlossen und bleiben dies bis
heute. Auch Filmstudios mussten eine Zeit lang geschlossen bleiben.
Inzwischen darf hier aber wieder gedreht werden - aber die
zuständigen Behörden haben ein mehrseitiges Regelhandbuch erlassen:
Beliebte Hochzeitsszenen wurden coronabedingt verboten, Kampfszenen
auch. Über-65-Jährige durften zeitweise nicht an das Set - und das
obwohl Bollywood generationenumspannende Geschichten liebt.

Laut Regeln sollten Familienangehörige im Film möglichst mit echten
Verwandten besetzt werden. Außerdem müssen Filmemacher ihren
Mitarbeitern auf dem Studiogelände oder in der Nähe Unterkünfte zur
Verfügung stellen. Denn in Indien ist ein Filmset immer auch ein Ort,
wo Film-Divas mit Slumbewohnern zusammenkommen, die nicht alle zu
Hause Abstand halten können.

Filmproduzent Jamnadas Majethia glaubt, dass diese Regeln und
besonders seine Schirme geholfen haben, Corona-Übertragungen an
seinem Set zu verhindern. Bislang habe es dort eine bekannte
Corona-Übertragung gegeben. Ein Schneider habe während der
Dreharbeiten sein Zuhause in einem Slum besucht, sich dort wohl
angesteckt und die Krankheit später seinem Zimmermitbewohner am Set
weitergegeben. Weitere Ansteckungen habe es nicht gegeben. Das hätten
tägliche Temperaturmessungen gezeigt.

Küsse und Umarmungen gebe es bei ihm zurzeit nicht mehr, sagt
Majethia. Die Filme würden eher aussehen wie in früheren,
konservativeren Zeiten. Er versuche aber etwas Nähe durch
Kameraperspektiven aufzubauen, während seine Schauspieler weiter
auseinander stünden. Bollywood-Make-Up-Artist Clint Fernandes sagt,
er nutze Einwegpinsel und bitte Schauspielerinnen selbst Maskara
aufzutragen, um sie möglichst wenig anzufassen.

Einige Filmemacher wollen aber auf Nummer sicher gehen. Produzent
Atul Kasbekar etwa überlegt, eine Corona-Versicherung für die
Dreharbeiten abzuschließen - damit etwa Kosten für Drehverzögerungen

bei Erkrankungen von Schauspielern gedeckt wären. Zurzeit plant er
eine Neuverfilmung des deutschen Klassikers «Lola rennt», dessen
Dreharbeiten eigentlich im Frühling beginnen sollten, als der
Lockdown kam. Nun versucht der Produzent, die Kosten zu senken. Er
habe dazu etwa einen großen Ort gefunden, wo er mehrere Szenen drehen
könne, und den Job der Protagonistin geändert, sagt er.

Corona hat in Bollywood viele getroffen - so infizierte sich etwa
auch Ex-Miss World Aishwarya Rai und ihre Bollywood-Star-Familie.
Doch am stärksten traf es die vielen Mitarbeiter mit Niedriglöhnen.
So gibt ein Bollywood-Film normalerweise Hunderten Menschen einen
Job. Viele hoffen nun auf Normalisierung - auch die Produzenten
Jamnadas Majethia und Atul Kasbekar. Einen Schritt in diese Richtung
passiert sehr bald - ab Mitte Oktober sollen Kinos mit halber
Sitzkapazität wieder öffnen können. In den vergangenen Monaten sind
Filme nur auf Streamingplattformen wie Netflix und Amazon Prime
erschienen.