«Der perfekte Mord» - Urteil im Fall Maria Baumer erwartet Von Ute Wessels, dpa

Er googelte «der perfekte Mord» - in Regensburg sitzt ein
Krankenpfleger wegen der Tötung seiner Verlobten vor Gericht. Er
bestreitet die Tat. Werden ihm seine Internetrecherchen und seine
zahlreichen Lügen zum Verhängnis? Nun steht der Urteilsspruch an.

Regensburg (dpa/lby) - Was geschah an Pfingsten 2012 in der Wohnung
eines jungen Paares in Regensburg tatsächlich? Einzig der Angeklagte
in dem Mordprozess vor dem Landgericht der oberpfälzischen Stadt
kennt die Wahrheit. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass
der 36-Jährige seine Verlobte mit Medikamenten umbrachte, um für eine
neue Beziehung frei zu sein. Die Leiche vergrub der Krankenpfleger im
Wald - was er zugegeben hat. Mit dem Tod der Frau will er aber nichts
zu tun haben. Der Staatsanwalt glaubt ihm nicht und fordert
lebenslange Haft wegen Mordes. Der Verteidiger plädiert auf
Freispruch.

Rückblende: Ende Mai 2012 verschwindet Maria Baumer. Die 26-Jährige
ist - so beschreiben es Angehörige und Zeugen - eine lebensfrohe
Frau. Gerade hat sie ihren ersten festen Job angetreten, ist zur
Vorsitzenden der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB) gewählt
worden und steht kurz vor dem Ja-Wort. Die Hochzeitseinladungen sind
verschickt. Warum also sollte die Frau einfach abhauen?

Das hatte der heute 36 Jahre alte Deutsche an jenem Wochenende den
Angehörigen erzählt. Er sei beim Joggen und Maria danach verschwunden
gewesen. Später habe sie ihn angerufen, angeblich von Nürnberg aus,
mit der Information, sie sei unterwegs nach Hamburg und komme bald
wieder. Völlig unverständlich für die Angehörigen, die vergeblich
warten. Denn Maria kehrt nicht zurück. Im September 2013 entdecken
Pilzsammler ihre Leiche in einem Wald.

Der Verlobte wird festgenommen und muss in Untersuchungshaft. Er
bestreitet die Tat und kommt auf freien Fuß. Sechs Jahre später, im
Dezember 2019, folgt die Wende: Mit neuen technischen Mitteln werden
an der Leiche Spuren von Medikamenten nachgewiesen. Zudem machen den
Mann seine Google-Abfragen verdächtig: Nach «der perfekte Mord» sow
ie
tödlichen Medikamenten-Dosen hatte er in den Wochen vor Marias Tod
gesucht. Die Staatsanwaltschaft erhebt Anklage, der Vorwurf: Mord.

Im Prozess schweigt der Mann zunächst, weist laut seinen Anwälten die
Vorwürfe von sich. Doch die Schlinge zieht sich zu. Zu vieles spricht
dafür, dass er an der Leichengrube im Wald gewesen sein muss. So
hatte er dort den Spaten vergessen, den er kurz vor dem Verschwinden
Marias gekauft hatte. Haare in der Grube werden ihm zugeordnet.

Der Angeklagte lässt über seinen Anwalt ausrichten, die Leiche im
Wald vergraben zu haben. Die Tabletten müsse Maria selbst geschluckt
haben, und weil er diese von seiner Arbeitsstelle geklaut habe, habe
er um seinen Job gefürchtet. Er sei völlig verzweifelt gewesen und
habe in einer Kurzschlussreaktion gehandelt - also die Tote
verscharrt und den Angehörigen eine Lügengeschichte erzählt.

Der Staatsanwalt sagt, die Einlassung sei «löchrig wie Schweizer
Käse». Der Handy- und Computerauswertung nach muss der Angeklagte im
mutmaßlichen Tatzeitraum von einer jungen, suizidgefährdeten
Patientin regelrecht besessen gewesen sein. Und weil er die Verlobung
nicht habe lösen wollen und zudem im Medizinstudium etliche
Chemieprüfungen nicht bestanden hatte, habe er Maria vergiftet,
glaubt der Staatsanwalt. Der Angeklagte sei nicht in der Lage, offen
mit Konflikten umzugehen und habe die Schmach mit dem Studienabbruch
nicht ertragen. Er sei ein «pathologischer Lügner».

In seinem Plädoyer verweist der Ankläger unter anderem auf einen
pikanten Fund auf dem Computer: Ausgerechnet an jenem Morgen, an dem
der Mann seine Verlobte tot im Bett gefunden haben will, lud er den
Ermittlungen nach aus dem Internet Lieder für die von ihm angebetete
Patientin herunter und schrieb ihr Nachrichten.

Dass der Verlobte Branntkalk und Zement über die Tote schüttete,
sieht der Ankläger als weiteren Beleg für eine geplante Tat: Auf
diese Weise habe die Leiche zersetzt und das Ausgraben verhindert
werden sollen. Etliche weitere Lügen listet der Staatsanwalt auf:
fingierte Nachrichten, falsche Identitäten im Netz, die Joggingrunde.

Die Psychiaterin bescheinigt dem 36-Jährigen eine narzisstische
Persönlichkeitsstruktur. Er sei konfliktscheu, wolle eine ideale
Fassade wahren und sei manipulativ. Die Lügengeschichten über Jahre
aufrechtzuerhalten habe den Angeklagten Kraft gekostet. Er wurde
alkoholsüchtig. Überdies betäubte er auch die Patientin mit Tabletten

im Tee. 2016 wurde er wegen Missbrauchs eines Jungen in einem länger
zurückliegenden Fall zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Der Verteidiger sagte in seinem Plädoyer: «Das Ganze ist nicht mehr
gewesen als ein blöder Unfall.» Dass der 36-Jährige den Spaten im
Wald vergessen hatte, sieht er als Beleg dafür, dass der eben genau
kein Mörder sei. Sonst hätte er den Spaten später noch geholt. Mit
den Lügengeschichten sei der Mann «kreativ» geworden. «Rückblicke
nd
betrachtet ist das an Dämlichkeit nicht zu überbieten.»

Dass er nach einem «perfekten Mord» gegoogelt habe, sei ebenfalls
kein Beweis. «Er sucht das perfekte Verbrechen und dann macht er es
völlig unperfekt. Er macht allen möglichen Scheiß.» Der Anwalt nenn
t
die erfundenen Telefonate. «Da weiß doch der letzte Volltrottel, dass
das rausgefunden werden kann von der Polizei.» Abschließend sagt er,
die Leiche zu vergraben und der Familie vorzuspielen, die Frau sei
verschwunden, sei von seinem Mandanten eine «Riesensauerei» und
«niederträchtig» gewesen. Aber strafrechtlich sei das «gar nichts
».

Das Urteil soll am Dienstag (15.00 Uhr) verkündet werden.