Wie geht es Trump? Von Can Merey, dpa

Nach Donald Trumps erster Nacht im Krankenhaus will Präsidentenarzt
Conley über den Zustand des weltweit prominentesten Covid-Patienten
aufklären. Das soll Vertrauen schaffen - und bewirkt das Gegenteil.

Washington (dpa) - Seit gut 17 Stunden ist Donald Trump Patient im
Walter-Reed-Militärkrankenhaus in Bethesda, als sein Leibarzt Sean
Conley dort am späten Samstagvormittag vor die Journalisten tritt.
Dass der US-Präsident sich nicht nur mit dem Coronavirus infiziert
hat, sondern sogar ins Krankenhaus geflogen wurde, hat die Nation
zutiefst verunsichert. Conley wird von gleich neun Kolleginnen und
Kollegen in weißen Kitteln flankiert, seine Mission: Die Amerikaner
über Trumps Gesundheitszustand aufzuklären. Keine 13 Minuten dauert
der Auftritt. Danach ist nicht nur die Verunsicherung, sondern auch
das Misstrauen gegenüber dem Weißen Haus noch größer als zuvor.

ALLE WERTE NORMAL?

Conley zeichnet ein rosiges Bild vom Zustand des 74-Jährigen. «Heute
Morgen geht es dem Präsidenten sehr gut», sagt der Mediziner. Trump
sei seit 24 Stunden fieberfrei. Husten, Nasenverstopfung und
Müdigkeit seien abgeklungen. «Zum jetzigen Zeitpunkt sind das Team
und ich sehr zufrieden mit dem Fortschritt, den der Präsident gemacht
hat.» Conleys Kollege Sean Dooley sagt, Trump habe keine
Atembeschwerden. Herz, Nieren, Leber - alle Werte normal. «Er ist in
außergewöhnlich guter Stimmung.» Bei der morgendlichen Ärztevisite

habe Trump sogar folgende ermutigende Bemerkung gemacht: «Ich fühle
mich, als könnte ich hier heute rauslaufen.»

DIE INFORMATIONEN DER ANONYMEN QUELLE

Das Briefing der Mediziner ist gerade erst zu Ende, da sticht eine
anonyme Quelle den Reportern am Krankenhaus Informationen durch, die
ganz anders klingen: «Die Werte des Präsidenten in den vergangenen 24
Stunden waren sehr besorgniserregend», heißt es da. Die nächsten 48
Stunden würden entscheidend. «Wir befinden uns noch immer nicht auf
einem klaren Weg zu einer vollständigen Genesung.» Die «New York
Times» berichtet später, bei der Quelle habe es sich um Trumps
Stabschef Mark Meadows gehandelt. Das Weiße Haus lässt Anfragen dazu
unbeantwortet. Einer von Trumps engsten Mitarbeitern scheint der
optimistischen Darstellung des Leibarztes zu widersprechen.

DER LEIBARZT WEICHT AUS

Auch ohne Meadows Querschuss ließ Conleys Auftritt viele Fragen
offen. Keine Antwort darauf, wie hoch Trumps Fieber war. Keine
Angaben auch dazu, wann Trump das letzte Mal negativ auf das Virus
getestet wurde oder wo er sich angesteckt haben könnte. Vor allem
weicht der Mediziner wiederholt der Frage aus, ob Trump irgendwann im
Verlauf seiner Covid-19-Erkrankung zusätzlichen Sauerstoff benötigt
habe. «Er bekommt im Moment keinen Sauerstoff», antwortet Conley. Der
Grund für die Einschränkung wird bald darauf klar: Die «New York
Times» berichtet, Trump habe am Freitag Atemprobleme gehabt. Das habe
die Ärzte dazu veranlasst, ihm zusätzlichen Sauerstoff zu
verabreichen - und ihn ins Krankenhaus zu bringen.

WANN LAG TRUMPS TESTERGEBNIS VOR?

Trumps Leibarzt sagt am Samstagmittag auch, die Coronavirus-Diagnose
liege «72 Stunden» zurück. Das wäre verheerend für Trump: Dann h
ätte
er gewusst, dass er hochansteckend ist, bevor er am Mittwochabend und
Donnerstagnachmittag in Minnesota und New Jersey Spender traf. Schon
so steht der Präsident in der Kritik, weil das Weiße Haus vor seinem
Treffen am Donnerstag Kenntnis davon hatte, dass eine seiner engsten
Beraterinnen mit dem Virus infiziert war. Conley verfasst wenig
später eine vom Weißen Haus verbreitete «Klarstellung», in der es
heißt, er habe sich falsch ausgedrückt. Tatsächlich habe Trumps
positives Testergebnis erst am Donnerstagabend vorgelegen.

TRUMP UND DIE KRANKENHÄUSER

Maggie Haberman, die für die «New York Times» über Trumps Weißes
Haus
berichtet, schreibt auf Twitter, Conley habe seine Glaubwürdigkeit
aufs Spiel gesetzt. «Das liegt zum Teil daran, dass er den Wünschen
eines Patienten nachkommt, der nicht will, dass die Information über
gestern offengelegt wird», heißt es in Habermans Tweets unter
Berufung auf Trumps Umfeld. Sein ganzes Leben lang habe Trump eine
Phobie vor Krankheiten und ein extremes Misstrauen gegenüber
Krankenhäusern gehabt. «Er wäre nicht in ein Krankenhaus gegangen,
wenn es ihm relativ gut ginge.»

EINE REINE VORSICHTSMASSNAHME?

Der Sender CNN berichtet, Berater hätten Trump dazu drängen müssen,

an Bord des Hubschraubers zu steigen, der ihn am Freitagabend ins
Krankenhaus brachte. Das Weiße Haus hatte zuvor von einer reinen
Vorsichtsmaßnahme gesprochen. Meadows hatte am Freitag gesagt, Trump
sei «in guter Stimmung» und sehr energiegeladen. Der Präsident zeige

lediglich «leichte Symptome». Nach «besorgniserregenden» Werten kla
ng
das nicht. Trump selber sagte am Freitagabend in einer
Videobotschaft: «Ich denke, mir geht es sehr gut.» Am Samstagabend
widerspricht er seiner Aussage von rund 24 Stunden zuvor. In einem
Video aus dem Krankenhaus sagt er: «Ich kam hierhin, fühlte mich
nicht so gut.» Der Präsident fügt dann hinzu: «Jetzt fühle ich mi
ch
viel besser.»

EIN VERDÄCHTIGES ARZTSCHREIBEN

Um die Glaubwürdigkeit Trumps (nicht nur) in medizinischen Fragen war
es schon vor seiner Erkrankung schlecht bestellt. Sein Wahlkampfteam
präsentierte im Jahr 2015 das Schreiben eines Arztes namens Harold
Bornstein, in dem es hieß: «Ich kann eindeutig sagen, dass Herr
Trump, sollte er gewählt werden, die gesündeste Person sein wird, die
je in das Präsidentenamt gewählt wurde.» Der Duktus erinnerte wohl
nicht umsonst an den Präsidenten der Superlative. Bornstein sagte dem
Sender CNN vor knapp zweieinhalb Jahren: «Er hat den ganzen Brief
diktiert. Ich habe diesen Brief nicht geschrieben.»

KANN MAN DEM WEISSEN HAUS VERTRAUEN?

CNN kritisiert nun, unter Trump habe das Weiße Haus «die Erosion von

Wahrheit und Fakten zu seiner zentralen Aufgabe gemacht». Die
«Washington Post» meint, man könne diesem Weißen Haus nicht
vertrauen, dass es wahrheitsgemäß über Trumps Gesundheitszustand
informiere. Die Nachrichtenseite Axios schreibt in einem Newsletter
sogar von «Vertuschung» und fragt, warum der Öffentlichkeit
Widersprüchlichkeiten vorgesetzt würden. Auch Mitarbeiter des Weißen

Hauses und von Trumps Wahlkampfteam seien seit Meadows Äußerungen
ratlos, was eigentlich vor sich gehe. «Sie haben, wie wir, wenig
Vertrauen in das, was ihnen gesagt wird.»