Vor den Herbstferien: Staatliche Corona-Maßnahmen werden verschärft
Die Herbstferien stehen vor der Tür und damit die Angst, dass die
Corona-Infektionszahlen noch stärker steigen. In einigen Regionen
könnten sie außer Kontrolle geraten, meint Ministerpräsident Söder.
Berlin (dpa) - Aus Angst vor stärker steigenden Infektionszahlen in
den Herbstferien verschärfen Bund und Länder die Corona-Maßnahmen
wieder. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident
Markus Söder warnten am Dienstag eindringlich vor unnötigen Reisen in
Risikogebiete. Zudem sollen private Feiern, von denen sich einige
zuletzt als Hotspots erwiesen hatten, eingeschränkt werden, wenn die
Infektionszahlen in bestimmten Regionen dies nötig machen.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte abends im
ZDF-«heute-journal», beim Geselligsein, in der Gastronomie sowie beim
Reisen und in der Freizeit gebe es momentan das größte
Ansteckungsrisiko. «Das Virus ist ja hier der Spielverderber, nicht
ich oder wir in der Politik.»
Spahn sagte nach einer Schaltkonferenz der Kanzlerin mit den
Länderregierungschefs, eine Differenzierung staatlicher
Beschränkungen nach Regionen und nach der konkreten Infektionslage
vor Ort sei weiter sinnvoll, sonst gehe die Akzeptanz der Bevölkerung
verloren. Er rief die Bürger dazu auf, ihr Verhalten zu prüfen. Jeder
könne sich etwa überlegen, ob jetzt, mitten in der Pandemie, die Zeit
für eine größere Familienfeier sei. Freiheit heiße nicht, dass jede
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machen könne, was er will. Jeder trage Verantwortung für die Menschen
um ihn herum. «Mit staatlichem Zwang alleine wird es nicht gehen.»
Söder betonte, man wolle keinen zweiten Lockdown. In einigen Regionen
könnten aber die Infektionszahlen außer Kontrolle geraten, wenn nicht
gehandelt werde. Priorität hätten Arbeitsplätze, Schulen und Kitas.
Eine Million Tote weltweit im Zusammenhang mit dem Coronavirus «kann
doch keiner ignorieren», sagte Söder weiter. «Um uns herum
explodieren die Zahlen.»
Merkel erläuterte, Deutschland sei gut durch den Sommer gekommen, nun
stehe mit dem Herbst und Winter aber eine «schwierigere Zeit» bevor.
Man könne sich dem aber entgegenstellen mit den richtigen Maßnahmen.
Diese könnten nur durchgesetzt werden, wenn es die Bereitschaft der
Bürger gebe, die Regeln zu befolgen, damit sich die Seuche nicht
weiter ausbreite. Vorrang habe, die Wirtschaft so weit es gehe am
Laufen zu halten und dass Kinder in Schulen und Kitas gehen könnten,
sagte auch sie.
Lehrer sollten nach Auffassung von Bundesbildungsministerin Anja
Karliczek mit als Erste gegen das Coronavirus geimpft werden, wenn es
den Impfstoff gibt. Die sei aufgrund der Vielzahl an Kontakten in der
Schule geboten, insbesondere, wenn sie zu einer Risikogruppe gehören,
sagte die CDU-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(Mittwoch). Auch würde eine bevorzugte Impfung für Lehrer helfen, den
für die Gesellschaft so wichtigen Schulbetrieb aufrecht zu erhalten.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger,
forderte eine bundeseinheitliche Corona-Ampel für Schulen. Er sagte
der «Rheinischen Post»: «Von einer in allen Bundesländern geltenden
Corona-Schulampel, die klar regelt, ab welchem Infektionsgeschehen
welche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz an Bildungseinrichtungen
ergriffen werden müssen, sind wir auch nach einem solchen Beschluss
weiterhin meilenweit entfernt.»
Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt erklärte, die nationale
Strategie von Bund und Ländern «gibt den Menschen Orientierung und
den Beschäftigten im Gesundheitswesen etwas mehr Planungssicherheit».
Allerdings sei jetzt eine umfassende Teststrategie nötig, «die Tests
da vorsieht, wo sie medizinisch sinnvoll sind und die vor allem die
neuen Möglichkeiten der Corona-Schnelltests nutzt».
Der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, sagte den
Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Noch können wir eine zweite Welle
verhindern. Die verabredeten Feier-Obergrenzen sind daher ein
richtiger Schritt als eine von wenigen bundesweiten Leitplanken.».
Sager rief zugleich dazu auf, an einer dezentralen
Eindämmungsstrategie festzuhalten.
Nach Auffassung der FDP sollten sich die Maßnahmen gegen das Virus
nicht nur nach der Zahl der Neuinfektionen richten, sondern unter
anderem auch nach der Auslastung der Gesundheitsämter oder der
Krankenhäuser vor Ort. FDP-Chef Christian Lindner begrüßte, dass sich
Bund und Länder bei Feiern in Privatwohnungen nur auf eine Empfehlung
verständigt hätten. Für die Liberalen gelte die Unverletzlichkeit der
Wohnung. Es sei für sie unvorstellbar, dass Polizei oder Orudnungsamt
zur Kontrolle an die Wohnungstür klopften.
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hielt Bund und Ländern
in der «Rheinischen Post» vor, sie agierten in der Krise nicht
vorausschauend. «Sie scheinen einmal mehr überrascht zu sein, dass
die kalte Jahreszeit und die nächsten Ferien vor der Tür stehen». Sie
forderte einen unabhängigen Pandemierat.
Folgende Beschlüsse fassten Bund und Länder:
PRIVATE FEIERN:
Alle Bürger werden gebeten, in jedem Einzelfall kritisch abzuwägen,
ob, wie und in welchem Umfang private Feiern notwendig und vertretbar
seien. Bei steigenden Infektionszahlen sollen Obergrenzen für die
Teilnehmerzahl festgelegt werden, und zwar in zwei Stufen. Wenn es in
einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 35 Neuinfektionen pro
100 000 Menschen gibt, sollen in öffentlichen oder angemieteten
Räumen höchstens 50 Personen gemeinsam feiern dürfen. Für Partys in
Privaträumen wird eine maximale Teilnehmerzahl von 25 Menschen
«dringlich empfohlen» - aber nicht vorgeschrieben, wie der Bund es
ursprünglich wollte.
Wenn es in einem Landkreis binnen sieben Tagen mehr als 50
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner gibt, sollen höchstens noch 25
Menschen in öffentlichen oder angemieteten Räumen feiern dürfen. Fü
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Feiern in Privaträumen wird eine Obergrenze von zehn Teilnehmern
«dringlich empfohlen». Ausnahmen könnten zugelassen werden, wenn es
für angemeldete Feierlichkeiten vom Gesundheitsamt abgenommene gibt.
BUßGELD BEI FALSCHANGABEN IN RESTAURANTS:
Wer falsche persönliche Angaben beim Restaurantbesuch macht, dem soll
ein Bußgeld von mindestens 50 Euro drohen. In Schleswig-Holstein soll
das sogar bis zu 1000 Euro kosten. Gastwirte werden bei der Kontrolle
dieser Angaben ebenfalls in die Pflicht genommen. Merkel forderte
Gaststättenbetreiber auf, besser zu kontrollieren. Die Daten sind
wichtig, denn sie werden zur Nachverfolgung möglicher
Infizierten-Kontakte gesammelt.
FRÜHWARNSYSTEM GEPLANT:
Eine von NRW-Regierungschef Armin Laschet (CDU) und auch Söder
vorgeschlagene Corona-Warnampel wird zwar nicht ausdrücklich erwähnt.
Es heißt aber, die Länder würden bereits vor Erreichen einer Zahl von
50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen
«ein geeignetes Frühwarnsystem» einrichten.
REISEN IN RISIKOGEBIETE:
In vielen europäischen Ländern sowie weltweit gibt es hohe
Infektionszahlen, es gelten Reisewarnungen. Es soll aber
Sonderregelungen etwa für notwendige Geschäftsreisen geben.
FIEBERAMBULANZEN FÜR DIE HERBST- UND WINTERZEIT:
Angesichts der zu erwartenden Grippewelle in der Herbst- und
Winterzeit sollen die Möglichkeiten des Einsatzes von
Fieber-Ambulanzen, Schwerpunktsprechstunden und Schwerpunktpraxen
genutzt werden. Zugleich sollten sich gerade auch Risikogruppen
vorsorglich gegen die saisonale Grippe impfen lassen.
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