USA beklagen fast 200 000 Tote: Corona könnte Trump Wiederwahl kosten Von Jürgen Bätz, dpa
Donald Trump dürfte als Corona-Präsident in die US-Geschichte
eingehen. Seinem Rivalen Joe Biden zufolge wären viele Todesfälle
vermeidbar gewesen. Die Wahl wird auch eine Abstimmung über den Kampf
gegen die Pandemie.
Washington (dpa) - Es ist eine unvorstellbare Zahl, ein kaum zu
begreifendes Maß an Leid und Trauer: In den USA sind inzwischen fast
200 000 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus gestorben.
Das entspricht einer ausgelöschten Großstadt, etwa der 67-fachen
Opferzahl der Terroranschläge vom 11. September 2001. Zehntausende
trauern um ihre Eltern. Andere vermissen Geschwister, Großeltern,
Partner oder Freunde. Kritiker werfen Präsident Donald Trump Versagen
vor.
Das von Trump immer wieder als «unsichtbarer Feind» bezeichnete Virus
könnte bei der Präsidentenwahl am 3. November seine Hoffnung auf eine
zweite Amtszeit zunichte machen. Trump dürfte als Corona-Präsident in
die Geschichtsbücher eingehen - so oder so. Noch im Januar konnte er
sich dank sehr guter Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Börsendaten gute
Chancen auf eine Wiederwahl ausrechnen. Doch dann stürzte die
Pandemie die Wirtschaft in eine schwere Krise, die Infektionszahlen
gingen durch die Decke, das Massensterben begann.
Kritiker werfen Trump vor, dass er kaum Mitgefühl für die Opfer der
Pandemie erkennen lasse. Er erklärt, die von ihm verhängten
Einreisesperren für Reisende aus China und Europa sowie die übrigen
Maßnahmen seiner Regierung hätten «Hunderttausende» Menschenleben
gerettet. Die hohe Zahl der bestätigten Infektionen zeige vor allem,
dass die USA sehr viele Tests machten. Wir sind sehr stolz auf den
Job, den wir gemacht haben. Und wir haben viele Leben gerettet, eine
gewaltige Zahl Leben», sagte Trump im Fernsehsender ABC.
Doch die Zahl von annähernd 200 000 Todesopfern - am Montagmorgen
(Ortszeit) waren es mehr als 199 500 - zeigt, dass die Pandemie nicht
optimal gemanagt wurde. Der Anteil der Vereinigten Staaten an der
Weltbevölkerung liegt bei weniger als fünf Prozent, aber die USA
stehen für etwa 20 Prozent aller weltweit bekannten Todesfälle.
Solche Vergleiche sind schwierig, weil bei der Pandemie sehr viele
Faktoren eine Rolle spielen. Doch der Blick auf die Opferzahlen in
anderen Ländern lässt eine klare Tendenz erkennen.
In den USA sind Daten der Universität Johns Hopkins zufolge 60
Menschen pro 100 000 Einwohner nach einer Corona-Infektion gestorben
- etwa genauso viel wie in Italien oder Schweden. Falls die USA aber
die gleiche Sterblichkeitsrate wie das Nachbarland Kanada (25)
hätten, wären etwa 115 000 Amerikaner noch am Leben. Bei einer Rate
wie in Deutschland (11,3 Tote pro 100 000 Einwohner) könnten heute
sogar 160 000 Amerikaner noch bei ihren Familien sein.
Trump tat sich mit vielen Tweets und Pressekonferenzen zur Pandemie
hervor. Doch anstatt den Kampf gegen das Virus anzuführen, schien er
ihn manchmal zu behindern: Bis Anfang März spielte er die Bedrohung
herunter und verglich das Virus mit einer «normalen Grippe». Das
Virus werde schon bald «wie ein Wunder» wieder verschwinden. Den
Nutzen von Masken stellt er bis heute in Frage.
Zeitweise warb er für ein Malaria-Medikament als Mittel gegen das
Virus, einmal schlug er sogar das Spritzen von Desinfektionsmittel
vor. Aus dem Weißen Haus kamen anstatt klarer Ansagen auf
wissenschaftlicher Basis verwirrende Botschaften, die dem Rat von
Epidemiologen und Medizinern teils klar widersprachen.
Trump ist natürlich nicht allein für den Kampf gegen Corona
verantwortlich - auch Gouverneure der Bundesstaaten und Bürgermeister
sind in der Pflicht. Doch der Präsident gibt die Richtung vor, seine
Worte haben Gewicht. In der Krise erwarten Amerikaner von ihrem
Präsidenten Führungsstärke und wohlüberlegte Empfehlungen.
Trumps Herausforderer, der Demokrat Joe Biden, lässt keinen Zweifel
daran, dass er den Republikaner persönlich für Versagen
verantwortlich macht. «Als wir ihn brauchten, um Maßnahmen zur
Eindämmung zu ergreifen, verbrachte er seine Tage mit Golfspielen»,
schrieb Biden auf Twitter. «Als wir den Präsidenten am meisten
gebraucht haben, war er nirgends zu finden. Das ist unverzeihlich.»
In jüngst veröffentlichten Interviews mit dem Journalisten Bob
Woodward räumte Trump ein, die Gefahr zunächst absichtlich
heruntergespielt zu haben, um keine Panik zu verursachen. Trump
wusste demnach bereits Anfang Februar, dass das Virus sich über Luft
überträgt und tödlicher ist als eine Grippe. Biden wirft Trump nun
vor, das Volk belogen zu haben. «Er wusste es und hat nichts getan.
Das ist fast schon kriminell», sagte Biden im Sender CNN. «Stellen
Sie sich vor, er hätte etwas gesagt. Wie viele Menschen wären heute
noch am Leben?»
Die Pandemie könnte wahlentscheidend sein: Vor allem für die
Angehörigen der Corona-Toten, für die fast sieben Millionen Menschen,
die inzwischen positiv auf das Virus getestet wurden, sowie für die
etwa 30 Millionen Menschen, die wegen der Wirtschaftskrise eine Form
von Arbeitslosenhilfe beziehen, dürfte sie bei der Stimmabgabe eine
große Rolle spielen.
Mehrere Umfragen haben gezeigt, dass die meisten Wähler dem früheren
Vizepräsidenten Biden eher als Trump zutrauen, die Pandemie unter
Kontrolle zu bringen. Biden (77) liegt auch in landesweiten Umfragen
seit Monaten vor Trump (74). Bis zum Wahltag in rund sechs Wochen
kann sich aber noch vieles ändern - und landesweite Umfragen sind
wegen des komplexen Wahlsystems nur begrenzt aussagekräftig.
Die Pandemie hat sich in den USA zuletzt auf hohem Niveau
stabilisiert. Zuletzt wurden täglich rund 40 000 bestätigte
Neuinfektionen gemeldet. Experten zufolge müsste diese Zahl aber
unter 10 000 gebracht werden, um sie unter Kontrolle zu bringen.
Mediziner warnen zudem, dass die Zahl der Infektionen mit Beginn der
kalten Jahreszeit erneut ansteigen dürfte.
Trump scheint im Endspurt des Wahlkampfs vor allem auf eine
Corona-Impfung zu setzen. Fast täglich verspricht er, der Impfstoff
werde bald verfügbar sein - zuletzt sprach er von «Mitte Oktober»,
rund zwei Wochen vor der Wahl. Experten halten das angesichts der
nötigen klinischen Tests zur Prüfung der Wirksamkeit eines Impfstoffs
kaum für möglich. Auch der Chef der US-Gesundheitsbehörde CDC, Robert
Redfield, widersprach Trumps Zeitplan, als er unter Eid im Senat
aussagte. Trump kanzelte Redfield sofort öffentlich ab: «Ich glaube,
er war verwirrt, als er das sagte.»
Dem Sender ABC sagte er: «Ich will nicht, dass die Menschen in Panik
verfallen.» Und fügte hinzu: «Aber mit einer Impfung, denke ich, wird
es sehr schnell verschwinden.» Biden will die Pandemie und deren
wirtschaftliche Folgen «entschlossen» bekämpfen, verspricht den
Wählern aber keine schnelle und einfache Lösung. Er forderte bei CNN:
«Wir müssen sicherstellen, dass wir den Menschen in Amerika die
Wahrheit erklären.»
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