Hilfe für heimische Unkräuter - Konferenz im Vogtland Von Katrin Mädler, dpa

Unkräuter von Feld und Wiese bekommen im Vogtland eine eigene
Veranstaltung. Denn Löwenzahn und Co. heilen, duften und schmecken
auch - verschwinden aber immer mehr, beobachten Experten.

Markneukirchen (dpa/sn) - Wilde Kräuter stehen für jeden erreichbar
und kostenlos am Wegesrand. Manchmal werden sie abwertend als Unkraut
bezeichnet - trotzdem liefern sie wichtige Nährstoffe und können das
Immunsystem stärken, sagt Susanne Danz-Jacob als Dozentin für
Naturheilkunde der Deutschen Presse-Agentur. Die von ihr initiierte
erste sächsische Unkrautkonferenz an diesem Samstag auf dem Gläsernen
Bauernhof im vogtländischen Markneukirchen soll ein kleiner
Startschuss sein. Denn künftig will die Heilpraktikerin in weiteren
Veranstaltungen die Öffentlichkeit sensibilisieren. «Viele Unkräuter

gibt es immer seltener. Wir reißen sie achtlos aus dem Boden, dabei
haben sie Heilkraft, schmecken köstlich und eignen sich für
natürliche Kosmetik.» In Workshops, Vorträgen und Verkostungen dreht

sich in der Konferenz alles um das Thema Unkraut.

Einige Bestände von Wildpflanzen wie der Venuskamm oder das
Sommer-Adonisröschen sind bis auf einige Restvorkommen in Sachsen
ausgestorben, bedauert Uwe Stolzenburg vom Nabu-Naturschutzinstitut
Dresden. Ohnehin seien die Bedingungen für einige Ackerwildkräuter im
Freistaat wegen des eher sauren Bodens schwer. «Aber in den letzten
fünfzehn Jahren sind viele Kräuter noch seltener geworden, die
Situation ist dramatisch. Auf immer weniger Fläche können sie sich
ausbilden.» Die Pflanzen bräuchten Zeit, damit Blüten und Samen
heranreifen. Der ständige Einsatz des Rasenmähers beim Gartenbesitzer
lasse dies nur noch selten zu. Zunehmend fehlten auch sogenannte
Ackersäume am Rand der Felder, auf denen Wildpflanzen in Ruhe wachsen
könnten. «Viele Landwirte ackern und spritzen Pestizide bis zum
Wegesrand und lassen keine Grünstreifen mehr stehen.»

Aber Unkraut vergeht nicht, heißt es - und das hofft auch Susanne
Danz-Jacob: «Es muss sich durchsetzen, diese Widerstandsfähigkeit
macht es für uns Menschen wertvoll.» Der Löwenzahn, der selbst durch

Beton wächst, ist für sie das beste Beispiel. «Unkräuter müssen
kämpfen, um zu überleben. Sie sind mit ihren Bitterstoffen,
ätherischen Ölen, Gerbstoffen, Mineralien und weiteren Inhaltsstoffen
wertvoller als das Gemüse aus dem Supermarkt.» Ein Wildkräutermenü

soll auf der Unkrautkonferenz zeigen, dass dieses «Superfood» vor der
Haustür auch gut schmeckt. Aktuell sei die Zeit der Duftwildkräuter.
«Die stehen in unserer ersten Unkrautkonferenz im Mittelpunkt,
darunter Wiesensalbei, Minze, Dill, Melisse oder Lavendel.» In Tees,
Ölen oder Pflanzenwassern seien sie auch antibakteriell, ist sich
Danz-Jacob sicher.

«Natürlich ist sinnvoll, einen Kurs über Heilkräuter zu besuchen, u
m
Gefahren zu vermeiden», sagt sie weiter. Damit beugten Laien
Verwechslungen mit Giftkräutern vor und wüssten, an welchen Stellen
wilde Kräuter ungefährlich sind, beispielsweise, wenn es um den
Fuchsbandwurm geht. «Auf einer flachen Wiese ist die Gefahr durch den
gefürchteten Fuchsbandwurm verschwindend gering. Der Fuchs setzt
seine Markierung mit den Würmern nur an erhöhte Stellen am Rand, oft
neben Steine oder Bäume.»

Seit 1991 widmen sich die aktuell 60 Vereinsmitglieder des Gläsernen
Bauernhofes im Vogtland der Vermittlung von Themen wie Landwirtschaft
und Natur. Zusätzlich übernehmen sie die Biotoppflege für
schützenswerte Lebensräume. Aktuell betreffe dies 40 Hektar der
Region, in denen wichtige Tier- und Pflanzenarten vorkommen, so die
Vereinsvorsitzende Danz-Jacob. Als Dozentin für Kräuterheilkunde gibt
sie für medizinisches Personal Kurse auf dem Gläsernen Bauernhof und
an Berufsakademien. Für Sachsen, Thüringen und Bayern sei der Hof
zusätzlich der Standort einer Fortbildungseinrichtung für
Naturbildung.

Projekte, die sich mit dem Thema Unkraut beschäftigen, sind auch beim
benachbarten Landschaftspflegeverband «Oberes Vogtland» in
Markneukirchen geplant. Gartenbesitzer und Landwirtschaftsbetriebe
müssten sensibilisiert werden und langfristig umdenken, findet Katrin
Deike als Geschäftsführerin des Vereins. «Wenn Unkräuter stehen
gelassen werden, ist das ein Gewinn. Insekten sind darauf angewiesen.
Früher in den Bauerngärten war die Vielfalt größer», sagt die
Diplomingenieurin für Ökologie und Umweltschutz.