Schaffner als Hilfspolizei? Ein Prüfauftrag und seine Folgen Von Jens Albes und Andreas Hoenig, dpa
Die Maskenpflicht in Zügen hat schon so manchen Streit ausgelöst.
Ausbaden müssen das oft Zugbegleiter. Auf sie könnte nun noch viel
zukommen, wenn Pläne der Länder Realität werden.
Berlin/Koblenz (dpa) - Es ist nur ein Satz, aber er birgt viel
Zündstoff: Bund und Länder wollen prüfen lassen, ob künftig für
Maskenverweigerer im Regional- und Fernverkehr ein erhöhtes
Beförderungsentgelt eingeführt werden kann. Sprich: Wer ohne
Mund-Nasen-Schutz erwischt wird, der soll künftig womöglich einen
Aufschlag auf den Fahrpreis zahlen. Gewerkschaften gehen auf die
Barrikaden: «Es ist unverantwortlich, den Beschäftigten in den Zügen
diese zusätzliche Aufgabe aufzubürden», schimpfte der kommissarische
Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG),
Klaus-Dieter Hommel, am Freitag.
Die Länder beschlossen am Donnerstag bei ihren Beratungen mit
Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass für Maskenverweigerer ein
Mindestbußgeld von 50 Euro gelten soll - Sachsen-Anhalt scherte
allerdings aus. In manchen Ländern liegt das Bußgeld bereits weit
darüber, in einigen Ländern allerdings nicht - oder es wird gar kein
Bußgeld erhoben.
Dazu soll nun ein weiteres Instrument kommen im Kampf gegen die
Ausbreitung des Coronavirus: ein «wie ein Bußgeld wirkendes» erhöht
es
Beförderungsentgelt. Dazu soll eine Arbeitsgruppe aus Bund und
Ländern eingerichtet werden.
In Regierungskreisen hieß es, die Umsetzung werde nicht einfach, es
seien Gesetzesänderungen nötig. Was aber noch viel schwerer wiegt:
die Politik könnte es sich mit den Zugbegleitern und den
Gewerkschaften verscherzen. Das dürfte die saarländische
Verkehrsministerin Anke Rehlinger (SPD) im Kopf haben - die
Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz sagte am Freitag, wer sich
unsolidarisch verhalte und keine Maske trage, der müsse Konsequenzen
zu spüren bekommen. Doch: «Für Bußgelder ist aber der Staat
zuständig, Schaffner sind keine Hilfspolizei.»
Bereits heute ist die Lage in Zügen mitunter angespannt. «Die
Kolleginnen und Kollegen arbeiten am Anschlag und sind bereits jetzt
extrem belastet», sagt Hommel. Seit Wochen nähmen Pöbeleien und
Übergriffe gegenüber Zugbegleitern zu, wenn diese nur auf die
Maskenpflicht in Zügen verwiesen. «Wenn sie jetzt von
Maskenverweigerern ein erhöhtes Beförderungsentgelt verlangen sollen,
würde das das Konfliktpotenzial noch einmal vervielfachen.
Das Zugpersonal könne hartnäckige Corona-Schutz-Verweigerer nicht
zwingen, sich die Maske aufzusetzen, sondern nur die Bundespolizei
rufen, sagt EVG-Sprecher Oliver Kaufhold. «Das überlegen sich
Zugbegleiter aber gut, denn dann steht womöglich der Zug, bis die
Bundespolizei kommt, und man bringt viele Kunden gegen sich auf.»
Laut Kaufhold ist die Zahl der Fahrgäste ohne Mund-Nasen-Schutz nicht
niedrig: «Bei einem «Signaltag» am 24. August zum Beispiel haben
Mitarbeiter der DB Sicherheit an Bahnhöfen und in Zügen in
Nordrhein-Westfalen in acht Stunden 888 Verstöße festgestellt.»
Der Sprecher der Bundespolizei in Rheinland-Pfalz, Hessen und im
Saarland, Christian Altenhofen, sagt, nur ganz selten müssten seine
Kollegen hinzugezogen werden, um die Maskenpflicht durchzusetzen oder
einen Verweigerer notfalls an einem Bahnhof zum Ausstieg zu zwingen.
Eine Statistik speziell hierfür gebe es nicht. Meist genügten die
Aufforderungen von Zugbegleitern. Maskenverweigerer zu jagen sei auch
keine primäre Aufgabe der Bundespolizei: «Wir sind nicht die
Maskenpolizei.»
EVG-Sprecher Kaufhold sagt, bei Konflikten «raten wir Zugbegleitern,
sich nicht hineinzusteigern. Eigenschutz geht vor.» Die EVG fordere
mehr als einen Zugbegleiter pro Zug - mindestens eine Doppelbesetzung
sei nötig.
Dass sich aber wirklich ein Fahrgast aus Abneigung gegen eine Maske
aus dem Zug werfen lässt, ist auch nach Worten des Vize-Bundeschefs
der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, selten. Dennoch
könnten Konflikte mit Maskenverweigerern nicht nur Zugbegleiter,
sondern auch Bundespolizisten emotional belasten: «Sie werden
beleidigt, angepöbelt und als Nazis beschimpft.» Flögen diese
Fahrgäste aus dem Zug, solidarisierten sich manchmal andere Leute im
Bahnhof mit ihnen, ohne die Vorgeschichte zu kennen.
Utopisch erscheint, dass das Zugpersonal notfalls überall sehr rasch
Unterstützung von der Bundespolizei bekommen kann. GdP-Vizechef Radek
sagt, dazu fehle es an Beamten. Sie könnten nicht in jedem Zug sein.
«Wir können auch nicht an jedem Halt ein Bundespolizei-Revier
aufbauen. Wir bemühen uns aber, schnell zu kommen.»
Die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (Odeg) geht einen anderen Weg:
Sie hat nach eigenen Angaben einen privaten Sicherheitsdienst
beauftragt, die Einhaltung der Maskenpflicht auf mehreren Bahnlinien
in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu kontrollieren.
Dieser könne Fahrgäste ohne Maske notfalls auch des Zuges verweisen.
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