Corona-Alarm auf den Kanaren: Inseln zittern um ihre Sonderstellung Von Emilio Rappold, dpa

Im Corona-Hotspot Spanien hatten die Kanaren bisher wegen relativ
geringer Fallzahlen eine Sonderstellung. Doch die Neuinfektionen
steigen nun plötzlich rapide. Bei Temperaturen um die 30 Grad macht
sich auf den Inseln Sorge breit - auch um den Tourismus.

Las Palmas (dpa) - Lange blieben die Kanaren vom Coronavirus
weitgehend verschont - jetzt müssen die zu Spanien gehörenden
Atlantik-Inseln um ihre Sonderstellung und um ihre Tourismus-Branche
fürchten. Wie ganz Spanien - darunter auch die Balearen samt dem
«Ballermann» - könnten sie als bislang einzige Ausnahme nun auch von

Deutschland auf die «schwarze Liste» der Risikogebiete gesetzt
werden. Mit 338 Fällen binnen 24 Stunden meldeten die regionalen
Gesundheitsbehörden in Las Palmas am Donnerstagabend einen neuen
Rekord an Neuinfektionen.

Zentrales Kriterium für die deutsche Einstufung als Risikogebiet ist,
in welchen Staaten oder Regionen es in den vergangenen sieben Tagen
mehr als 50 Neuinfizierte pro 100 000 Einwohner gegeben hat. Auf den
Kanaren sind es bereits 79,69.

Damit stehen die Inseln vor der Westküste Afrikas inzwischen
schlechter da als viele spanische Gebiete, für die seit Mitte August
die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gilt. Darunter die ebenfalls
vom Tourismus stark abhängige Stadt Valencia (52,10) und die Region
Andalusien (47,85). Auf den Balearen mit der liebsten Insel der
Deutschen, Mallorca, beträgt die Zahl 79,52. Für ganz Spanien gab das
Gesundheitsministerium in Madrid diesen Wert am Freitag mit mehr als
58 für die vergangenen sieben Tage an.

Reisen auf die Kanaren könnten für Urlauber damit noch komplizierter
werden. Bislang können Reiserückkehrer aus Risikogebieten einen
kostenlosen Corona-Test in Deutschland machen. Nach dem Beschluss der
Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Donnerstag soll sich das
bald ändern. Geplant ist, dass wieder ausschließlich die
Quarantäneregelung gelten soll. Das heißt: Die Betroffenen müssen
sich beim Gesundheitsamt melden und sich in Quarantäne begeben. Diese
soll im Unterschied zur jetzigen Regelung aber erst dann verlassen
werden dürfen, wenn mit einem frühestens fünf Tage nach der Einreise

gemachten Test ein negatives Ergebnis vorgewiesen wird.

Diese Regelung soll möglichst ab dem 1. Oktober gelten. An einzelnen
Flughäfen wie in Frankfurt sollen die kostenlosen Tests jedoch auch
danach angeboten werden. Man sei weiterhin vom Land Hessen
beauftragt, kostenlose Tests für Reise-Rückkehrer anzubieten, die aus
Risikogebieten mit dem Flugzeug am Frankfurter Airport ankommen,
teilte eine Sprecherin des dortigen DRK-Testzentrums mit.

Auf den Kanaren fürchtet man schon jetzt eine mögliche deutsche
Reisewarnung sowie die Quarantänepflicht. Dies könne der schwer
angeschlagenen Tourismusbranche, die einen Anteil von circa 35
Prozent am Regionaleinkommen hat, den «Todesstoß versetzen», warnte
ein TV-Kommentator. Denn trotz der Sonderstellung herrsche auf den
Inseln schon jetzt «Trostlosigkeit» und «Verzweiflung», schrieb die

Zeitung «El Día» am Freitag und zeigte dazu Fotos leerer Straßen un
d
Kneipen.

Wegen der Notlage trat der kanarische Regionalpräsident Ángel Víctor

Torres noch am Abend sichtlich besorgt vor die Presse und gab neue
Einschränkungen bekannt, die er «drastisch» nannte. Auf den besonders

schwer betroffenen Inseln Gran Canaria und Lanzarote sind
Veranstaltungen mit mehr als zehn Teilnehmern ab Samstag und vorerst
für zwei Wochen verboten. Restaurants und Kneipen werden schon um
Mitternacht schließen. In der gesamten Region wird man auch am
Arbeitsplatz Maske tragen müssen. Die Polizei werde mit mehr Beamten
dafür sorgen, dass die Vorschriften eingehalten werden, warnte Torres
die 2,15 Millionen Einwohner seiner Region.

«Dass es bei uns noch schlimmer kommen würde, hätten wir nie
gedacht», sagte Mauro, der ein Restaurant in Las Palmas de Gran
Canaria betreibt, der Deutschen Presse-Agentur. Die Hoffnung, dass
viele deutsche Mallorca-Fans nach der «Disqualifikation» der
Mittelmeer-Insel durch das Auswärtige Amt für die Kanaren umbuchen
würden, hatte sich nämlich in den vergangenen zwei Wochen nicht
erfüllt. «Hier herrscht schon jetzt tote Hose», klagt Mauro.

Obwohl die Kanaren seit Mitte August die einzige Region Spaniens
sind, für die in Berlin bisher keine Reisewarnung herausgegeben
wurde, traten zuletzt weiterhin nur relativ wenige Deutsche eine
Reise nach Teneriffa, Gran Canaria, Lanzarote oder zu einem anderen
Teil des Archipels an. «Dem typischen Mallorca-Touristen sagt das
Angebot auf den Kanaren wohl nicht zu», stellte das Blatt «El Diario»

dieser Tage enttäuscht fest.

Mit 2,65 Millionen Besuchern im vorigen Jahr ist Deutschland hinter
Großbritannien (circa 5 Mio) und vor Spanien (rund 2 Mio) der
zweitgrößte Herkunftsmarkt für die Kanaren. London hatte am 26. Juli

eine Quarantäne für alle Spanien-Rückkehrer angeordnet. Das war vor
allem für die Kanaren und die Balearen, die beide besonders viele
Briten empfangen und wo Tourismus wie sonst nirgendwo in Spanien die
Haupteinnahmequelle ist, schon ein sehr harter Schlag.

Wie schlimm die Lage auf den Kanaren ist, beweisen bereits die
amtlichen Zahlen für Juli, obwohl die Infektionslage im vorigen Monat
viel besser war als die aktuelle: Die Zahl der britischen Besucher
fiel im Vergleich zum Vorjahresmonat um über 80 Prozent: Von 450 000
auf unter 75 000. Die Zahl der Besucher aus Deutschland ging derweil
von gut 190 000 auf unter 80 000 zurück.

Viele Reserven zum Durchhalten gibt es inzwischen nicht mehr. Im
ersten Halbjahr brach die Wirtschaft der Kanaren um gut 36 Prozent im
Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein. In diesen sechs Monaten machten
mehr als 1200 Betriebe hauptsächlich wegen Corona dicht.

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