Söders Furcht vor «Mini-Ischgls» Von Marco Krefting, Armin Weigel und Josefine Kaukemüller, dpa
Er hatte immer gewarnt: Corona ist nicht vorbei, eine zweite Welle
nur eine Frage der Zeit. Nun hat Bayerns Ministerpräsident Söder
einen Hotspot im eigenen Land. Und muss reagieren.
München/Mamming (dpa) - Als Markus Söder am Montagmorgen im
Prinz-Carl-Palais in München steht und über den neuen Corona-Hotspot
in Mamming spricht, ist es auf den Tag genau ein halbes Jahr her,
dass der erste Mensch in Deutschland positiv auf das neuartige Virus
getestet wurde. Ausgerechnet in Bayern war das damals. Als die Welle
richtig losbrach, hat der Ministerpräsident und CSU-Chef das Leben im
Freistaat weitgehend herunterfahren lassen - und erst spät und
langsam gelockert. Später und langsamer als manch anderes Bundesland.
Seit dem Wochenende nun kennt jeder, der die Corona-Berichterstattung
verfolgt, die niederbayerische Gemeinde Mamming mit rund 3340
Einwohnern und über 1000-jähriger Geschichte. Idyllisch gelegen an
den Isar-Auen. Mehr als 170 Erntehelfer auf einem Gemüsehof haben
sich nachweislich mit dem Coronavirus infiziert - auch weil der
Betreiber sich nicht an sein eigenes Schutzkonzept gehalten haben
soll. Auf sogenannten Gurkenfliegern sollten die Arbeiter liegen und
pflücken. Immer dieselben Leute, immer in derselben Reihenfolge. Doch
wer sich abends mit wem trifft, sei für die Behörden nur schwer zu
kontrollieren, sagt Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).
Am Montag riegeln Absperrgitter das Gelände ab. Vereinzelt gehen
Menschen in kleinen Gruppen über das Gelände. Unaufgeregt. Am
Wochenende war hier noch mehr los. In der Nähe wird eine Teststation
aufgebaut. Auch Mamminger Bürger sollen sich testen lassen können.
Mit deutlichen Worten mahnt Söder nochmal: «Corona verzeiht keinen
Leichtsinn», sagt er. Und: «Corona kommt schleichend zurück, leider
aber mit aller Macht.» Jeder müsse auf die Hygieneregeln - Abstand
und Mund-Nasen-Schutz - achten. Höhere Bußgelder sollen Druck auf die
Betriebe vergrößern, Schutzkonzepte einzuhalten.
Insbesondere mit Blick auf die in Bayern gerade begonnenen
Sommerferien und Erinnerungen an die Faschingsurlauber, die aus dem
österreichischen Skiort Ischgl das Virus haufenweise nach Bayern
einschleppten, sorgt sich der CSU-Chef vor vielen «Mini-Ischgls».
Orten, in denen niemand das Infektionsgeschehen so richtig unter
Kontrolle hat. Und er stellt die Frage: Warum muss man Urlaub in
einem Risikogebiet machen?
Söder bekräftigt seine Forderung nach einer Pflicht für Corona-Tests
an Flughäfen für Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten. Appelle und
Forderungen - viel mehr bleibt ihm nicht übrig. Denn hier ist der
Bund am Zug. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigt am
späten Montagnachmittag dann an, er werde «eine Testpflicht für
Einreisende aus Risikogebieten anordnen».
Allerdings sind die ausgewiesenen Risikogebiete nur ein Teil des
Problems. Urlaubsorte wie St. Wolfgang in Oberösterreich, wo sich
Dutzende Mitarbeiter von Tourismusbetrieben mit dem Coronavirus
infiziert haben, zählen nicht dazu - fast die gesamte EU gilt nicht
als Corona-Risikogebiet. Und: Viele Urlauber sind in den europäischen
Ferienregionen sowieso mit dem Auto oder mit der Bahn unterwegs.
In Bayern soll es nun auch an den Hauptbahnhöfen München und Nürnberg
sowie an Straßen nahe der Grenze - freiwillige - Testangebote für
Autoreisende geben. Nicht nur für solche aus Bayern, wie Söder
betont. Das sei «Amtshilfe» für andere Länder.
Der Corona-Ausbruch in Mamming rückt die zurückhaltende, vorsichtige
Strategie der bayerischen Staatsregierung im Kampf gegen die Pandemie
in ein neues Licht. Bislang hatte Söder viel Lob für seinen Kurs
bekommen. In Umfragen schossen die Beliebtheitswerte nach oben,
inzwischen wird er sogar als Kanzlerkandidat gehandelt, weil er
Krisen meistern könne.
Auch mit Blick auf den Corona-Ausbruch beim Schlachtbetrieb Tönnies
in Nordrhein-Westfalen, wo Regierungschef Armin Laschet (CDU) einen
lockereren Kurs fährt, hatte Söder vor zu schnellen Lockerungen
gewarnt. Der Fall diente Söder als Referenz, dass das
Infektionsrisiko nach wie vor hoch sei. Die Reaktion: Als eines der
ersten Bundesländer verhängte Bayern Urlaubsverbote für Menschen aus
Risikogebieten.
Nun hat es mit Mamming den Freistaat selbst getroffen. Gefragt nach
Parallelen und Kritik an der Lockerungspolitik weicht Söder am Montag
aus: Man könne die Fälle nie vergleichen. Es gehe aber immer darum,
schnell zu reagieren, nach ersten Fällen rasch zügig weiträumig zu
testen. «Die Zeitachse», sagt Söder über Mamming, war «sehr in
Ordnung».
Für die Opposition ist das ein gefundenes Fressen: Grüne, SPD und FDP
in Bayern werfen der Landesregierung unter anderem mangelhafte
Kontrolle der Unterkünfte auf dem Gemüsehof vor und geben Söder
deswegen eine Mitverantwortung. «Beim arroganten Umgang der
bayerischen Staatsregierung mit dem Gesundheitsschutz von
Erntehelfern war es nur eine Frage der Zeit, wann es wieder
Corona-Herde in Bayern geben würde», sagt die FDP-Landtagsabgeordnete
Julika Sandt.
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