Das lange Warten auf Flugticket-Erstattungen in Zeiten von Corona Von Christian Ebner, dpa

Unfreiwillig haben Passagiere und Reisebüros den Fluggesellschaften
in der Corona-Krise Tausende Kleinkredite gegeben. Nach der
staatlichen Lufthansa-Rettung sollten nun Erstattungen schneller
fließen. Gutscheine muss niemand annehmen.

Frankfurt/Main (dpa) - So viel Ärger ums Fliegen war selten: Nach den
massenhaften Flugausfällen in der Corona-Krise warten Tausende
Verbraucher auch Wochen und Monate später noch auf die rechtlich
eigentlich verbindliche Erstattung ihrer Tickets. Verbraucherschützer
und Flugrechtsportale sind sich einig, dass die Airlines mit wenigen
Ausnahmen die Zahlungen absichtlich verzögert haben. Auch nach der
Staatsrettung des größten Anbieters Lufthansa und einem neuen Gesetz
zu möglichen Gutscheinen bleibt die Lage angespannt. Die Opposition
verlangt ein schärferes Vorgehen staatlicher Stellen gegen die
zahlungsunwilligen Fluggesellschaften.

In Folge der Corona-Pandemie war der Luftverkehr Mitte März nahezu
vollständig zusammengebrochen und Tausende Flüge wurden storniert.
Grundsätzlich müssen die Gesellschaften den Ticketpreis innerhalb von
sieben Tagen erstatten. Lufthansa und andere Gesellschaften hatten
hingegen zunächst darauf gesetzt, die Kunden mit Gutscheinen
abzufinden. Dies scheiterte aber an der EU-Kommission. Anfang Juli
wurde dann im Bundestag ein Gesetz beschlossen, wie solche Gutscheine
ausgestaltet sein müssen. Annehmen muss sie aber niemand, Verbraucher
können sich das Geld immer noch erstatten lassen.

«Jetzt spätestens muss ausgezahlt werden», sagt Marion Jungbluth,
Mobilitätsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die
Grünen verlangen ein schärferes Vorgehen des zuständigen
Luftfahrtbundesamtes gegen die säumigen Airlines, im Zweifel auch mit
Bußgeldern. Das Amt zeigt sich dazu zwar grundsätzlich bereit, wartet
aber nach eigenen Angaben auf entsprechende Beschwerden und Fälle.
Der Grünen-Politiker Markus Tressel sieht die Bundesregierung in der
Pflicht, eine schnelle Lösung zu finden, damit nicht Tausende Kunden
einzeln den Rechtsweg beschreiten müssten.

So lange haben Flugrechtsportale nicht gewartet, wie Lars Watermann
von EUflight.de berichtet: «Wir haben bereits mehr als 1000 Klagen
eingereicht, entweder als Inkasso-Dienstleister für den Kunden oder
auf eigene Rechnung. Erst recht nach den ersten beiden Urteilen zu
unseren Gunsten haben wir keinerlei Zweifel mehr, sämtliche Fälle zu
gewinnen. Wir kaufen alles an. Und seit der Rettung der Lufthansa
habe ich auch keine Bauchschmerzen mehr, eventuell mit unseren
Forderungen in einem Insolvenzverfahren zu landen.»

Der Verbraucherzentrale Bundesverband bestätigt den täglichen
Kleinkrieg im Netz und an den Hotlines: Airlines erweckten immer noch
den falschen Eindruck, dass man nur Gutscheine verlangen könne.
Hinweise auf die Erstattungsmöglichkeit würden so gut versteckt wie
möglich und sind zudem kompliziert formuliert, gelegentlich würden
auch unberechtigte Stornogebühren gefordert. «Wir beobachten aktuell
einen systematischen Rechtsbruch quer durch die Luftverkehrsbranche»,
sagt Anwalt Peter Lassek von der Verbraucherzentrale Hessen noch
deutlicher.

«Einen Gutschein erhält man innerhalb von Minuten, die Erstattungen
sollen hingegen Monate dauern. Das kann es nicht sein», sagt
Watermann, der auch nach der Rettung des Lufthansa-Konzerns keine
Besserung beobachtet hat. «Leider hat die Lufthansa auch nach der
Rettung ihr Verhalten nicht geändert. Es wird mit allen möglichen
Tricks, Haken und Ösen versucht, die Auszahlungen zu verhindern.»

Neben den Passagieren sind auch viele Reisebüros gekniffen, denn sie
warten bislang ebenfalls häufig vergeblich auf das Geld der Airlines,
müssen die eigenen Kunden aber befriedigen, sagt der Deutsche
Reiseverband. Das gefährde die Existenz vieler Betriebe.

Lufthansa hat zwar eingeräumt, mit dem Shutdown die automatische
Erstattung über die professionellen Buchungssysteme abgeschaltet zu
haben und dies mit notwendigen Einzelfallprüfungen begründet. Seitdem
würden aber die Personalkapazitäten ständig erhöht, um sämtliche

Erstattungsanträge bearbeiten zu können. Der Konzern hat angekündigt,

den Stau bis Mitte August zu beseitigen. Ende Juni stand mit rund
einer Milliarde Euro aber noch rund die Hälfte der Erstattungen aus.
Konkurrent Ryanair will Ende Juli 90 Prozent der Fälle vom Tisch
haben. Zu langsam, findet Watermann und nennt einen Favoriten:
«Easyjet sind die Einzigen, die es gut machen.»

Die hessische Verbraucherzentrale rät betroffenen Verbrauchern, die
Rückzahlung schriftlich und mit einer zweiwöchigen Frist
einzufordern. «Reagiert die Airline gar nicht, haben Sie die
Möglichkeit, ein gerichtliches Mahn- oder Klageverfahren zu führen,
wobei man allerdings immer auch das Kosten- und Insolvenzrisiko im
Blick behalten sollte. Eine Strafanzeige wird jedenfalls keine
schnellere Rückerstattung bewirken», fasst Anwalt Lassek zusammen.