US-Experte Fauci: Einige Bundesstaaten haben sich zu früh geöffnet

Warum bekommen die USA die Ausbreitung des Coronavirus nicht unter
Kontrolle? Einer der führenden Corona-Experten im Land führt dies
auch auf die politischen Grabenkämpfe zurück und bezeichnet das Virus

wegen der leichten Übertragbarkeit als «schlimmsten Alptraum».

Washington (dpa) - Der US-Immunologe Anthony Fauci macht frühe
Lockerungen in einigen Bundesstaaten für die neuen, teils
dramatischen Corona-Ausbrüche in vielen Teilen der USA
verantwortlich. «In einigen Staaten sprangen die Gouverneure und
Bürgermeister im Wesentlichen über die Richtlinien und Kontrollpunkte
und öffneten etwas zu früh», sagte Fauci dem Podcast
«FiveThirtyEight», der am Donnerstag veröffentlicht wurde. Der
Experte und Regierungsberater nannte Florida als Beispiel, das einige
Richtlinien außer Acht gelassen habe. Die USA gäben verglichen mit
anderen Staaten momentan kein gutes Bild ab. US-Präsident Donald
Trump äußerte unterdessen Kritik an dem angesehenen Experten.

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen erreichte in den USA am Donnerstag
einen neuen Höchststand. Rund 63 200 neue Fälle binnen 24 Stunden
wurden nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität von Freitagmorgen
verzeichnet. In dem Land mit rund 330 Millionen Einwohnern haben sich
demnach bislang mehr als 3,1 Millionen Menschen nachweislich mit
Sars-CoV-2 infiziert. Mehr als 133 000 Menschen starben an oder mit
dem Virus.

Dass die USA täglich derart hohe Anstiege bei den Neuinfektionen
verzeichnen, führt Fauci auch auf die Zerstrittenheit der
amerikanischen Politik zurück: «Ich denke, man muss davon ausgehen,
dass es ohne eine solche Spaltung einen koordinierteren Ansatz geben
würde.» Einigen Politikern in den Vereinigten Staaten, allen voran
Präsident Trump und einigen Gouverneuren, wurde mehrfach vorgeworfen,
in der Pandemie Entscheidungen unter politischen und nicht
gesundheitlichen Gesichtspunkten zu treffen.

Wegen seines Umgangs mit der Pandemie steht Trump zunehmend unter
Druck. Das zeigt auch eine am Freitag veröffentlichte Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Ipsos und dem TV-Sender ABC
News: Demzufolge heißen nur 33 Prozent der Befragten Trumps
Handhabung der Krise gut, 67 Prozent äußerten sich unzufrieden. Mitte
März waren es 43 Prozent, die ihre Missbilligung zum Ausdruck
brachten.

Trump kritisierte am Donnerstagabend Fauci, der auch der
Corona-Arbeitsgruppe des Weißen Hauses angehört. «Fauci ist ein
netter Mann, aber er hat viele Fehler gemacht», sagte er im Interview
mit einem seiner Lieblings-Fernsehmoderatoren, Sean Hannity, auf dem
Sender Fox. Die Experten hätten bei vielen Dingen Fehler gemacht.

Trump drängt seit Monaten auf eine schnelle Wiedereröffnung der
Wirtschaft. Eine starke Ökonomie, die in den Vereinigten Staaten noch
im Februar auf Rekordkurs war, sieht er als eines der besten
Argumente für seine Wiederwahl im November.

Bei einer Veranstaltung des US-Mediums «The Hill» bezeichnete Fauci
das Coronavirus wegen seiner leichten Übertragbarkeit unterdessen als
«schlimmsten Alptraum». Die Effizienz, mit der das Virus Menschen
anstecke, sei «wirklich bemerkenswert», sagte Fauci. Er riet den
besonders betroffenen Bundesstaaten, geplante Lockerungen der
Corona-Auflagen auf Eis zu legen.

Die USA hätten es nach der ersten Zuspitzung der Pandemie im März nie
geschafft, weniger als 20 000 Neuinfektionen pro Tag zu erreichen.
Trotzdem hätten südliche Bundesstaaten ihre Beschränkungen schnell
gelockert, erklärte Fauci. «Das müssen wir besser machen.» Die Lage

ist vor allem in den Bundesstaaten Florida, Texas, Kalifornien und
Arizona ernst.

Eine der großen Herausforderungen des Coronavirus sei es, dass es
viele Infizierte gebe, die den Erreger weiter verbreiteten, selbst
jedoch keine Symptome zeigten, erklärte Fauci. Der Experte ist der
Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und
Infektionskrankheiten. Vergangene Woche hatte er bei einer Anhörung
im Kongress gewarnt, ohne entschlossenes Gegensteuern könne die Zahl
der Neuinfektionen pro Tag in den USA bald auf bis zu 100 000
steigen.