Brandenburgs CDU-Chef wirbt für Dienstpflicht - Kritik von Rot-Grün

Seit 2011 ist die Wehrpflicht ausgesetzt. Brandenburgs CDU-Chef
Stübgen schlägt nun eine Dienstpflicht vor, weil er der Ansicht ist,
dass Kräfte in bestimmten Bereichen besonders gebraucht werden. Der
Vorschlag bleibt in der Kenia-Koalition nicht unwidersprochen.

Potsdam (dpa/bb) - Brandenburgs CDU-Landeschef Michael Stübgen wirbt
angesichts neuer Herausforderungen für eine Dienstpflicht für Frauen
und Männer im Gesundheitswesen und im Katastrophenschutz. «Wir müssen

überlegen, wie wir den Schutz der Bevölkerung zukunftsfest
aufstellen», sagte Stübgen der in Potsdam erscheinenden «Märkischen

Allgemeinen» (Mittwoch).

«Dabei scheint es fraglich, ob Ehrenamt und freiwilliges Engagement
ausreichen können, um Sicherheits- und Daseinsvorsorge dauerhaft zu
gewährleisten.» Deshalb sei eine Debatte über eine solche
Dienstpflicht notwendig. Zur Dauer und zum Alter äußerte sich
Stübgen, der auch brandenburgischer Innenminister ist, nicht.

Der CDU-Landesvorsitzende stößt mit seinem Vorschlag bei seinen
Koalitionspartnern SPD und Grüne auf Kritik. SPD-Fraktionschef Erik
Stohn sagte am Mittwoch, ein Pflichtjahr für junge Menschen sei nicht
seine Antwort auf die anstehenden Herausforderungen. «Wir müssen die
Arbeitsbedingungen verbessern, sodass junge Menschen soziale Berufe
ergreifen.» Dazu gehörten eine gute Bezahlung und
Aufstiegsmöglichkeiten. Es sei die Aufgabe der Politik, dies
anzugehen. «Wir sollten von der Aufgabe nicht ablenken, indem wir mit
einer ganzen Generation die vorhanden Löcher stopfen.»

Auch die Brandenburger Grünen lehnen den Vorschlag ab. «Ein
Pflichtjahr wäre ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit
junger Menschen und der falsche Weg», erklärte die Landesvorsitzende
Julia Schmidt auf Anfrage. Es sei verwunderlich, dass Stübgen die
Einführung einer sozialen Dienstpflicht vorschlage, während jedes
Jahr viele motivierte Freiwillige keinen Platz für freiwilliges
Engagement bekämen. «Nicht Zwang motiviert junge Menschen, sondern
die Möglichkeit, sich unabhängig vom Geldbeutel der Eltern für die
Gesellschaft einsetzen und einen wichtigen Beitrag leisten zu
können.» Sie forderte, die Stellen für das freiwillige soziale und
ökologische Jahr auszubauen.

Ebenfalls Gegenwind kam von der Linken-Opposition. «Es stimmt, wir
müssen einiges tun, um unser Gesundheitswesen zu retten - aber die
Lösung ist nicht, jungen Leuten ein Jahr ihres Lebens wegzunehmen»,
kritisierte Andreas Büttner, der auch Vorsitzender des
Landtagsinnenausschusses ist. Eine Dienstpflicht sei keine Antwort
auf die Probleme in Gesundheit und Pflege. Pflegekräfte müssten
besser bezahlt werden und es müsse Schluss sein mit chronischer
Überarbeitung.

Stübgen argumentiert auch vor dem Hintergrund der Debatte über eine
Wiedereinführung der Wehrpflicht, die die neue Wehrbeauftragte Eva
Högl in die Diskussion gebracht hatte. Das lehnt der CDU-Politiker
ab. «Die Wehrpflicht könnte nur aufgrund einer sicherheitspolitischen
Notwendigkeit wiedereingeführt werden und diese Notwendigkeit sehe
ich aktuell nicht», sagte der CDU-Politiker. Die Corona-Pandemie habe
gezeigt, dass es noch ganz andere Herausforderungen an den
Bevölkerungsschutz als die herkömmliche militärische
Landesverteidigung gebe. Er verwies darauf, dass gut ausgebildetes
Personal in Krankenhäusern, Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen fehle.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann unterstützt indes den Vorschlag seines
Parteikollegen. «Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir mit dem
regulär bereits ausgelasteten Personal auch Katastrophenlagen aller
Art bewältigen können», meinte Redmann. Die Gefahren seien mit Blick

auf Waldbrände und die Corona-Pandemie vielfältiger geworden. «Ich
halte deshalb eine mehrmonatige verpflichtende Grundausbildung in
einem Bereich der Gefahrenabwehr für sinnvoll.»

Die CDU-Bundesvorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret
Kramp-Karrenbauer hatte eine allgemeine Dienstpflicht vorgeschlagen -
entweder im militärischen oder im zivilen Bereich. SPD-Chefin Saskia
Esken wandte sich gegen ein solches Pflichtjahr. Kramp-Karrenbauer
lehnt wie Stübgen eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ab, die 2011
ausgesetzt wurde. Die Verteidigungsministerin hatte allerdings einen
neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr angekündigt.