Vorrang Corona, Stau bei Gutachten - Gesundheitsämter im Stress

Kontaktpersonen Infizierter ermitteln, Quarantäne anordnen,
Hygieneschutzkonzepte prüfen - die Corona-Pandemie bestimmt seit vier
Monaten die Arbeit der Gesundheitsämter. Das geht zu Lasten anderer
Aufgaben.

Erfurt/Nordhausen (dpa/th) - In den Thüringer Gesundheitsämtern ist
wegen der Bekämpfung der Corona-Pandemie viel sonstige Arbeit liegen
geblieben. Das betrifft nach Angaben des Berufsverbandes der Ärzte
des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) beispielsweise bestimmte
amtsärztliche Gutachten, Schuleingangs- oder Reihenuntersuchungen.
Trotz sinkender Infektionszahlen seien die meisten Ämter vom
Normalmodus noch weit entfernt, sagte die Landesverbandsvorsitzende
Ingrid Francke der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist noch nicht
abzusehen.» Verschärft bemerkbar mache sich jetzt, dass in einer
Reihe von Gesundheitsämtern teilweise seit Jahren Ärzte fehlten.

Auf dem Höhepunkt der Pandemie hatte Francke zufolge vor allem die
Ermittlung von Kontaktpersonen Coronainfizierter Vorrang, was mit
hohem Zeit- und Personalaufwand verbunden gewesen sei. Andererseits
wurden etwa Schuleingangsuntersuchungen für die Erstklässler des
Schuljahres 2020/21 wegen der zeitweiligen Schließung der
Landratsämter oder auch der Absage durch die Eltern aufgeschoben.
Diese Untersuchungen würden nun nachgeholt.

Bis zum 9. Juli sollen diese möglichst abgeschlossen sein, so sieht
es eine Vereinbarung mit dem Thüringer Bildungsministerium vor. Doch
diesen Stichtag können nach Verbandseinschätzung nicht alle Ämter
halten. «Wir haben noch einen gewissen Überhang», bestätigte ein
Sprecher des Landratsamtes Sonneberg. Das Land erlaube den Kommunen
aber, die Untersuchungen bis in das kommende Schuljahr hinein
nachzuholen. Im Kreis Greiz, wo laut Kreisverwaltung bislang gut die
Hälfte der Schulanfänger untersucht ist, sollen für die
Gesundheitschecks auch die Sommerferien und der September genutzt
werden. Greiz und Sonneberg waren wochenlang regionale
Corona-Schwerpunkte in Thüringen.

Im Saale-Orla-Kreis, in dem Anfang März der erste bestätigte
Corona-Fall in Thüringen aufgetreten war, liegen die
Schuleingangsuntersuchungen «sehr gut im Zeitplan», wie das
Landratsamt mitteilte. Bereits zu Jahresbeginn, vor dem Ausbruch der
Pandemie, seien Kinder in zahlreichen Kindergärten untersucht worden.

Schwierigkeiten bereitet es aus Sicht des ÖGD-Ärzteverbandes und von
Gesundheitsämtern, weggefallene Schulreihenuntersuchungen in den 4.
und 8. Klassen nachzuholen. Im Kreis Greiz etwa konnten wegen der
Pandemie, die zu wochenlangen Schulschließungen geführt hatte, nur 16
Prozent der Viertklässler untersucht werden. Weitere
Reihenuntersuchungen seien im zu Ende gehenden Schuljahr nicht mehr
realisierbar, so das Landratsamt. Die Achtklässler seien bereits im
vergangenen Herbst an der Reihe gewesen. In Sonneberg wurden auch die
Besuche des jugendzahnärztlichen Dienstes an den Schulen zwecks
Zahnprophylaxe eingeschränkt.

Zu Verzögerungen kam es auch bei amtsärztlichen Begutachtungen. Das
seien Aufgaben, die nicht ohne Weiteres an externe Ärzte übertragen
werden könnten, sagte Francke. Gesundheitsämter sind unter anderem
für die Beurteilung der Dienstfähigkeit von Beamten, für
Einstellungsuntersuchungen von Beamten und für die Begutachtung zur
Feststellung einer gerichtlich angeordneten Betreuung zuständig.

In Thüringen gibt es 22 kommunale Gesundheitsämter. Ende 2018 waren
dort gut 600 Mitarbeiter beschäftigt, wie aus einer Antwort des
Sozialministeriums auf eine CDU-Landtagsanfrage hervorgeht. Davon
sind 92 Ärzte und Zahnärzte. Aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor.