Steuerzahlerbund: Ab Donnerstag arbeiten Bürger in eigene Tasche

Mehr als die Hälfte von jedem verdienten Euro zahlt der
Durchschnittsbürger an den Staat. So rechnet zumindest der Bund der
Steuerzahler - und findet das einen hohen Preis. Was er zum Unwillen
von Kritikern nicht berücksichtigt: Was man dafür alles bekommt.

Berlin (dpa) - Ein halbes Jahr für den Staat, ein halbes Jahr für
sich selbst: Nach einer Prognose des Steuerzahlerbunds arbeiten die
Bundesbürger erst von Donnerstag an in die eigene Tasche. Rein
rechnerisch sei die bisherige Arbeitsleistung des Jahres 2020
komplett für Steuern und Sozialabgaben draufgegangen, sagte der
Präsident des Lobbyverbands, Reiner Holznagel, der Deutschen
Presse-Agentur. Erst ab 9. Juli, 17.30 Uhr, bleibe bei einem
durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalt von Lohn und Gehalt etwas
übrig. Die Berechnung ist allerdings umstritten.

Der Steuerzahlerbund prognostiziert, dass in diesem Jahr von jedem
verdienten Euro nur 47,9 Cent im eigenen Portemonnaie bleiben - der
Rest gehe an die öffentliche Hand. Ein durchschnittlicher Haushalt
müsse somit mehr als die Hälfte (52,1 Prozent) des Einkommens als
Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen.

Das ist weniger als im vergangenen Jahr. Grund für den Rückgang sei
vor allem die Corona-Krise, sagte Holznagel. Weil viele Menschen in
Kurzarbeit sind oder ihre Arbeit verloren haben, zahlen sie weniger
Einkommensteuer. Zugleich gingen die Konsumausgaben und damit die
indirekten Steuern deutlich zurück.

Dämpfenden Effekt hat laut Holznagel aber auch der gesunkene Beitrag
für die Arbeitslosenversicherung. Außerdem sei erneut die Inflation
zugunsten der Steuerzahler berücksichtigt und die sogenannte kalte
Progression gedämpft worden. «Unter dem Strich bleibt Deutschland
eines der Länder, wo die Menschen am meisten durch Steuern und
Abgaben belastet werden», betonte Holznagel.

Bei seinen Prognosen stützt sich der Steuerzahlerbund auf
repräsentative Haushaltsumfragen des Statistischen Bundesamtes.
Trotzdem sind sie umstritten. Kritiker weisen darauf hin, dass
Arbeitnehmer von gezahlten Steuern und Sozialabgaben auch selbst
stark profitieren. Ohne diese müssten sie viel Geld etwa für die
Krankheitsvorsorge ausgeben - was der Steuerzahlerbund in seiner
Berechnung aber nicht berücksichtige.

Zwar sei es richtig, dass auch durch Sozialabgaben eine Umverteilung
stattfinde, doch die Zahler erhielten auch eine Gegenleistung in Form
einer Versicherung, argumentieren Wirtschaftswissenschaftler. Höhere
Einzahlungen in die Rentenkasse führten auch zu einer höheren Rente,
das Geld fließe also zu einem späteren Zeitpunkt wieder in die Tasche
der Bürger. Daher dürfe man maximal die Hälfte der Sozialabgaben wie

Steuern in die Berechnung mit einbeziehen.

Tatsächlich machen die Sozialabgaben den größten Anteil in der
Abgaben-Rechnung des Bunds der Steuerzahler aus: 30,9 Cent vom jedem
Einkommens-Euro fließen an die Renten-, Kranken-, Pflege- und
Arbeitslosenversicherung - mehr als alle Steuern zusammen, die sich
auf 21,2 Cent von jedem Euro summieren.

Der ausgerufene «Gedenktag» solle auch gar kein Symbol dafür sein,
dass man die Hälfte des Jahres umsonst arbeite, betonte Holznagel. Er
sei aber eine Art Preisschild dafür, wie viel der Bürger für wichtige

Leistungen des Staates arbeiten müsse. «Es ist keine Kritik an
staatlichen Leistungen, sondern daran, dass der Steuerzahler dafür
sehr stark zur Kasse gebeten wird», betonte Holznagel.