Corona: Gericht kritisiert Unterbringung in Gemeinschaftsunterkunft

Bereits vor Corona klagten Geflüchtete in Brandenburg auf eine
Einzelunterbringung. Während der Pandemie haben viele Angst vor einer
Ansteckung mit dem Virus. Auch ein Gericht sieht das Risiko.

Frankfurt (Oder) (dpa/bb) - Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder)
hat die Unterbringung eines Asylbewerbers in einer brandenburgischen
Gemeinschaftsunterkunft mit Blick auf das Corona-Abstandsgebot
bemängelt. Seine Wohnverhältnisse stünden nicht in Einklang mit der
derzeit gültigen brandenburgischen Sars-CoV-2-Umgangsverordnung, so
das Gericht. Durch «den Verbleib in einem Gemeinschaftszimmer mit
beliebigen Dritten, in dem das Abstandsgebot (...) nicht einzuhalten
ist», sei der Mann in der Unterkunft in Müncheberg
(Märkisch-Oderland) «einem erhöhten Risiko» ausgesetzt, sich mit de
m
Coronavirus zu infizieren.

Der alleinreisende Geflüchtete lebt gemeinsam mit zwei anderen
Bewohnern in einem 24,38 Quadratmeter großen Zimmer, das noch zwei
weitere Bewohner als Durchgangszimmer nutzen. Der Mann hatte sich vor
Gericht gegen die Wohnsitzauflage gewendet und wollte während der
Corona-Pandemie außerhalb der Gemeinschaftsunterkunft untergebracht
werden. Darauf besteht jedoch laut Gericht kein Anspruch - der Antrag
des Mannes wurde abgelehnt. Über den Fall hatte zuvor die «Märkische

Oderzeitung» (Dienstag) berichtet.

Das Gericht gab in seinem Beschluss jedoch den Hinweis, nachdem es
sich die Unterkunft angesehen hatte, dass zwar die Gemeinschaftsküche
und die Duschräume mit dem derzeitigen Abstandsgebot von 1,50 Meter
vereinbar seien - nicht jedoch sein Zimmer. Es gab auch den Hinweis,
der Mann könne eine Einzelunterbringung beantragen.

«Wenn wir die Einzelunterbringung umsetzen müssen, dann müssen wir in

Turnhallen unterbringen», sagte Friedemann Hanke, Fachbereichsleiter
Soziales und stellvertretender Landrat im Kreis Märkisch-Oderland.
Man habe dafür einfach nicht genügend Platz. Hanke will auf
Landesebene erreichen, dass entweder eine Ausnahme vom Abstandsgebot
für Gemeinschaftsunterkünfte in die Landesverordnung aufgenommen wird
oder dass das Land die Aufnahmeregeln für Geflüchtete ändert. «Wenn

wir alle in Einzelzimmern unterbringen, dann müssten wir die
Gemeinschaftsunterkünfte im Land verdoppeln», so Hanke. Für die
Kosten müsste das Land aufkommen.

Da der Bewohner bislang keinen Antrag auf Einzelunterbringung
gestellt habe, sehe man derzeit keinen Handlungsbedarf, sagte Hanke.
Ebenso mit Blick auf das Infektionsgeschehen. In der betroffenen
Einrichtung habe es keine Corona-Fälle gegeben. Insgesamt habe es in
den 16 Einrichtungen des Kreises nur in einer Unterkunft Infizierte
gegeben, die Bewohner seien in einer gesonderten Unterkunft in
Quarantäne gekommen.

Das Sozialministerium will den Beschluss jetzt in Abstimmung mit dem
Kreis dahingehend prüfen, ob die Begründung des Gerichts für diesen
Einzelfall «konkrete Rechtsansprüche» eröffne und auch, ob die
Entscheidung auf andere Fälle übertragbar wäre. Dies erscheine
zumindest auf den ersten Blick «zweifelhaft», so ein Sprecher.

Bereits vor der Corona-Pandemie hat es immer wieder Klagen von
Geflüchteten auf eine Einzelunterbringung in Brandenburg gegeben,
sagte Langer, Sprecher am Verwaltungsgericht Potsdam. Derzeit laufe
mindestens ein Verfahren an dem Gericht. Anfang Juli gab die achte
Kammer dem Antrag einer Bewohnerin, die nach eigenen Angaben zur
Corona-Risikogruppe zählt, statt. Der Frau stehe ein eigenes Zimmer
außerhalb der Unterkunft aufgrund ihrer Vorerkrankung zu.

Auch am Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) gab es neben dem Bewohner
aus Müncheberg noch Anträge von zwei Familien, die ebenfalls
abgelehnt worden sind, da das Abstandsgebot für sie eh nicht gelte.
Und mehrere Anträge habe es auch zur zentralen Aufnahmeeinrichtung in
Eisenhüttenstadt gegeben, wie das Gericht mitteilte. Dort sei aber
ausreichend Platz für eine einzelne Unterbringung vorhanden, so ein
Gerichtssprecher. Die Parteien hätten sich einigen können.