Psychologe zu Messerangriff: Stressfaktoren für Kinder reduzieren

Bei dem tödlichen Messerangriff in einem Bus in Schwaben waren auch
zehn Schüler unfreiwillige Zeugen der Attacke. Ein Kinderpsychologe
betont, dass zwei Faktoren für sie nun besonders wichtig sind.

München/Obergünzburg (dpa/lby) - Nach einem Erlebnis wie dem
tödlichen Messerangriff in einem Linienbus bei Obergünzburg
(Landkreis Ostallgäu) brauchen Kinder zunächst Sicherheit und
Orientierung. «Alles, was Stress reduziert, ist gut», sagte der
Psychologe Simon Finkeldei von der Kinderkrisenintervention der
Aetas-Kinderstiftung in München am Dienstag der Deutschen
Presse-Agentur. Schon unmittelbar nach der Tat sei Hilfe vor Ort
wichtig. «Nach einer solchen Stress-Situation geht es auch um
Basisbedürfnisse wie die Frage, wie ich jetzt nach Hause komme»,
betonte Finkeldei. 

Bei dem Angriff war am Montag eine Frau von ihrem getrennt lebenden
Mann in einem Linienbus mit einem Messer tödlich verletzt worden.
Während der Tat waren Polizeiangaben zufolge zehn Schüler im Alter
von 11 bis 18 Jahren im Bus. «Sie haben etwas Erschreckendes erlebt
»,
sagte Finkeldei, der auf Krisenintervention bei Kindern spezialisiert
ist. Wichtig sei für Eltern und Bezugspersonen, den Kindern nun zu
zeigen, dass sie nicht alleine sind, und ihnen Orientierung zu geben.
Dazu gehöre auch, Alltagsstrukturen beizubehalten.

Im Umgang mit einem solchen Erlebnis bräuchten manche Kinder
Gespräche, andere wollten eher Ablenkung oder Bewegung. «Die zwingen

wir nicht dazu, über das Erlebte zu reden», sagt Finkeldei. Pausen
von dem Thema könnten vor zusätzlichem Stress schützen, wenn der
Vorfall in den Medien im sozialen Umfeld präsent sei. 

«An Schulen in Bayern sind Kriseninterventionsteams für solche Fälle

vorgeschrieben», sagte Finkeldei. «Meiner Erfahrung nach ist es ganz

wichtig, dass solche Erlebnisse dort Thema werden dürfen, vor allem
wenn mehrere Schüler betroffen sind.»

Nicht jedes Kind brauche nach einem traumatischen Erlebnis eine
Therapie, erläuterte Finkeldei. «Wenn ich aber merke, dass Kopf und
Herz im weiteren Verlauf nicht zur Ruhe kommen, lohnt es sich
vielleicht, professionelle Hilfe aufzusuchen.» Finkeldei betonte
jedoch auch, dass seine Einschätzung nicht auf der Situation vor Ort,
sondern der eigenen Berufserfahrung beruhen. «Es gibt keine
Hundert-Prozent-Regel, die für alle Kinder gilt.»