Führende Gesundheitspolitikerin Israels tritt in Corona-Krise zurück

Tel Aviv (dpa) - Aus Protest gegen den Kurs der Regierung hat eine
führende Gesundheitspolitikerin Israels mitten in der sich wieder
zuspitzenden Corona-Krise ihren Rücktritt erklärt. Siegal Sadetzki,
Direktorin für öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium,
schrieb am Dienstag bei Facebook, seit einigen Wochen habe Israel im
Kampf gegen das Coronavirus die Richtung verloren.

«Im Kampf gegen die erste Welle hatte Israel Erfolg, hat sich dann
aber von anderen führenden Ländern entfernt, indem es schnelle
Lockerungen durchsetzte», hieß es. Daraufhin sei die Zahl der
Infektionen rasch angestiegen. «Vor diesem Hintergrund bin ich zu dem
Schluss gelangt, dass ich unter den neuen Umständen - weil meine
professionelle Ansicht nicht akzeptiert wird - nicht mehr aktiv dabei
helfen kann, gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu kämpfen.»
Minister Juli Edelstein dankte Sadetzki in einer Mitteilung für ihre
Arbeit.

Sadetzki vertrat das Ministerium zu Beginn der Pandemie häufig in der
Öffentlichkeit, auch bei Pressekonferenzen mit Ministerpräsident
Benjamin Netanjahu. Sie galt als Verfechterin eines harten
Lockdown-Kurses, wurde aber auch für das Vorhersagen von
Horrorszenarien kritisiert.

Israel hatte zu Beginn der Pandemie rasch reagiert, und der Verlauf
war zunächst glimpflich. Nach Lockerungen im Mai kam es jedoch zu
einem starken Ausbruch von Infektionen. Die Regierung wird inzwischen
scharf für ihr Vorgehen kritisiert. Die Infektionsexpertin Galia
Barkai vom angesehenen Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv bemängelte
etwa zuletzt zu schnelle Lockerungen und die Krisenkommunikation der
Regierung. Sie mahnte raschere epidemiologische Tests an.