Debatte über Pflegefinanzierung soll im Herbst starten

Die Gesellschaft wird älter, mehr Menschen brauchen Pflege - und das
kostet Geld. Die Corona-Krise reißt zusätzlich Löcher in die
Sozialkassen. Gesundheitsminister Spahn will zunächst wissen, wie
groß die genau sind - und dann über eine Reform diskutieren.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will im Herbst
die Debatte über eine Pflegereform neu starten. Dann wisse man, wie
genau die Corona-Pandemie sich auf die Sozialkassen auswirke, sagte
ein Sprecher des CDU-Politikers am Montag in Berlin. Die Diskussion
um die Pflegefinanzierung, die Spahn schon im vergangenen Jahr
angekündigt habe, habe man wegen der Corona-Pandemie verschieben
müssen. Ausgehend von den Erkenntnissen darüber, was die Pandemie für

die Sozialkassen genau bedeute, werde man ab Herbst über eine
Pflegereform diskutieren.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Erwin Rüddel
(CDU), hatte dem Nachrichtenportal «ThePioneer» (Montag) gesagt, dass
die Leistungen der Pflegeversicherung ab dem kommenden Jahr an die
Preisentwicklung angepasst werden und somit steigen sollten. Die
Bundesregierung ist gesetzlich ohnehin verpflichtet, in diesem Jahr
zu prüfen, ob eine Anpassung erforderlich ist. Zuletzt waren die
Leistungen Anfang 2017 angepasst worden. Zudem sagte Rüddel, dass
eine Erhöhung des Beitragssatzes gleich zum Start der Pflegereform
vermieden werden solle. Er sprach sich dafür aus, die Förderung für
die private Pflegevorsorge auszuweiten.

Auch solche Frage würden «ab Herbst» diskutiert, sagte der Sprecher
des Gesundheitsministeriums. Spahn wollte eigentlich im ersten
Halbjahr 2020 Vorschläge zur künftigen Finanzierung vorlegen - doch
dann kam die Corona-Pandemie dazwischen. Der Minister hatte zuletzt
mehrmals höhere Bundeszuschüsse für die Sozialkassen wegen der
Mehrausgaben in der Corona-Krise in Aussicht gestellt.

Die Krise habe «beispiellos die Baustellen in der Pflege aufgezeigt»,
sagte Anja Piel vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).
«Wer jetzt die Pflegeversicherung zukunftsfest machen will, muss alle
medizinisch gebotenen Pflegeleistungen auskömmlich finanzieren, aber
auch die Investitionskosten in die Infrastruktur übernehmen und die
Renditen gesetzlich deckeln.» Nur dann könne das Geld der
Beitragszahlenden der Pflege dienen, statt in die Taschen von
Hedgefonds und Kapitaleignern zu fließen. Die Deutsche Stiftung
Patientenschutz wies darauf hin, dass die Pflegekosten in den Heimen
seit 2017 um mehr als 30 Prozent gestiegen seien.

Von der FDP kam Unterstützung für den Vorschlag, die private Vorsorge
staatlich stärker zu unterstützen. «Eine Pflegereform ist
überfällig», sagte die pflegepolitische Sprecherin der
Bundestagsfraktion, Nicole Westig. Ausschuss-Chef Rüddel solle der
Bevölkerung allerdings nicht weismachen wollen, dass mehr
Pflegeleistungen ohne Beitragserhöhung zu haben und rein über einen
Steuerzuschuss zu finanzieren seien.

Grünen-Expertin Cordula Schulz-Asche kritisierte, bisher seien die
Pflegeleistungen nur unregelmäßig an die Preisentwicklung angepasst
worden. Die Pläne sind «zwar begrüßenswert, aber als echte Reform d
er
Pflegeversicherung vollkommen unzureichend». Die Grünen forderten,
die «Eigenanteile sofort zu senken und dauerhaft zu deckeln». Der
Vorschlag, die staatliche Förderung für die private Pflegevorsorge
auszuweiten, sei dagegen «ein totes Pferd» - denn aktuelle Meldungen
zeigten doch, dass die Beiträge für die privat Versicherten «förmli
ch
explodieren». Das sei keine nachhaltige Form der Pflegefinanzierung.

Die «Welt am Sonntag» hatte unter Berufung auf Verbraucherschützer
berichtet, dass viele Menschen Rat suchten, weil die Beiträge für
private Zusatzpolicen zur Pflegeversicherung stark stiegen. Dazu
sagte ein Sprecher des Verbands der Privaten Krankenversicherung der
dpa, die Beiträge in einigen Tarifen müssten angepasst werden, weil
sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändert hätten. «Es gibt
nun beträchtlich mehr Pflegebedürftige bei gleichzeitiger Zunahme der
Pflegedauer und Leistungen über alle Pflegegrade.» Die aktuelle
Beitragskalkulation beziffere den «ehrlichen Preis» für die
Leistungsverbesserungen der jüngsten Pflegereformen.