Gericht hebt Corona-Einschränkungen im Kreis Gütersloh auf

Eigentlich sollten die von der Landesregierung verhängten strengen
Corona-Auflagen im Kreis Gütersloh noch bis in die Nacht zum Mittwoch
gelten. Jetzt hat ein Gericht die Verordnung gekippt.

Gütersloh/Rheda-Wiedenbrück (dpa) - Die strengen Auflagen zur
Eindämmung des Coronavirus im Kreis Gütersloh sind aufgehoben. Das
Oberverwaltungsgericht Münster hat die von der
nordrhein-westfälischen Landesregierung verfügten Einschränkungen am

Montag gekippt. Das zuständige Gesundheitsministerium hätte nach dem
Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies inzwischen eine
differenziertere Regelung erlassen müssen, ein Lockdown für den
ganzen Kreis sei nicht mehr verhältnismäßig, erklärte das Gericht.


Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die Beschränkungen wären ohnehin

in der Nacht zum Mittwoch ausgelaufen - die Landesregierung hatte die
Auflagen bis Mittwoch 00.00 Uhr befristet. Eine Verlängerung wäre
möglich gewesen, galt angesichts der rückläufigen Infektionszahlen
aber als unwahrscheinlich.

Geklagt dagegen hatte eine Firma mit Sitz in Oelde im Kreis
Warendorf, die im Kreis Gütersloh unter anderem in Schloß
Holte-Stukenbrock und Versmold Spielhallen betreibt. In diesen
Städten gab es kaum Corona-Infizierte, die in Kontakt zur
Fleischfabrik bei Tönnies standen.

Die Landesregierung in Düsseldorf will nach der Gerichtsentscheidung
keine gesonderten neuen Maßnahmen für den Kreis Gütersloh verfügen
-
auch nicht für einzelne Gemeinden. Das machte Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann (CDU) am Montagabend deutlich. Aktuelle Zahlen
belegten, dass es gelungen sei, einen größeren Ausbruch durch
konsequente und schnelle Maßnahmen einzudämmen.

Die Maßnahmen im Kreis Gütersloh könnten nun vollständig auf die
bereits verhängte Quarantäne für die von der Infektion betroffenen
Mitarbeiter des Fleischwerkes von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück sowie
im Bedarfsfall ihre Familien begrenzt werden.

Der Krisenstab des Kreises teilte am Montagabend mit, dass die
mobilen Test-Teams zu ihrer zweiten Runde gestartet seien. Sie
besuchen erneut Haushalte, in denen Tönnies-Beschäftigte leben. «Dort

werden diese Personen und ihre Haushaltsmitglieder erneut
abgestrichen. Die Rede ist dabei von rund 7000 Personen und 1100
Adressen», hieß es.

Hintergrund der jetzt gekippten Auflagen waren mehr als 1000 positiv
auf das Coronavirus getestete Tönnies-Mitarbeiter am Standort in
Rheda-Wiedenbrück. Die Befunde hatten zu regionalen Einschränkungen
im öffentlichen Leben in den Kreisen Gütersloh und Warendorf geführt.

Betroffen waren zeitweise rund 640 000 Einwohner. Im öffentlichen
Raum durften sich nur noch zwei Menschen oder Menschen aus einem
Familien- oder Haushaltsverbund zusammentreffen. Museen, Kinos,
Fitnessstudios und Hallenschwimmbäder mussten geschlossen bleiben. Im
Kreis Warendorf, in dem ebenfalls viele Tönnies-Mitarbeiter wohnen,
wurden die Auflagen bereits vergangene Woche aufgehoben.

Nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies war die Zahl der Neuinfektionen
pro 100 000 Einwohner im Kreis Gütersloh zuletzt in die Nähe des
Grenzwerts für die Beschränkungen gesunken, der bei 50 liegt. Nach
Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Montag lag die sogenannte
Sieben-Tage-Inzidenz bei 50,5. Zum Höhepunkt des Corona-Ausbruchs bei
Tönnies lag der Wert vor knapp zwei Wochen bei 270,2.

Bislang hatte das OVG in der Regel die Verordnungen der
Landesregierung im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das Coronavirus
bestätigt. Ausnahme war die vom Land angeordnete häusliche Quarantäne

für Auslandsrückkehrer. Die hatte das Gericht Anfang Juni außer
Vollzug gesetzt. Das Land dürfe nicht pauschal für Rückkehrer aus
Nicht-EU-Ländern eine 14-tägige Quarantäne anordnen, entschied es.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet warb am Montag -
noch vor Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung - in der CDU-Spitze
für eine gezielte Hotspot-Strategie im Kampf gegen die Pandemie. Es
solle aus seiner Sicht mehr regionale Differenzierung bei Maßnahmen
gegen Corona-Infektionen an Hotspots geben, zitierten
Teilnehmerkreise Laschet. Eine solche zielgerichtete Strategie dürfe
nicht an Kreisgrenzen halt machen.

Der aus dem NRW-Kreis Gütersloh stammende Unionsfraktionschef Ralph
Brinkhaus (CDU) lobte Laschet nach diesen Informationen in den
Beratungen von Präsidium und Vorstand für dessen «konsequentes
Vorgehen» im Fall Tönnies. Laschet sei voll ins Risiko gegangen, als
er dem gesamten Kreis Gütersloh wieder strikte Beschränkungen
auferlegt habe. Nun sehe man die Erfolge. Mehrere Sitzungsteilnehmer
hoben hervor, Brinkhaus habe Laschet außergewöhnlich deutlich gelobt.

Am Montagmorgen hatten Gespräche der Behörden mit Tönnies-Vertretern

zu einem vorgelegten Hygiene- und Arbeitsschutzkonzept begonnen. Erst
nach Zustimmung könnte der Betrieb in Rheda-Wiedenbrück schrittweise
wieder hochgefahren werden. Bislang gilt der Produktionsstopp bis zum
17. Juli.

Der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer rechnet nicht mit einer
kurzfristigen Lösung. «Das Konzept, das die Firma vorgelegt hat,
beantwortet bei Weitem nicht alle Fragen, die geklärt werden müssen.
Also bis der Betrieb wieder anläuft, kann es noch dauern!», sagte der
CDU-Politiker am Montag unmittelbar vor einem Treffen von Vertretern
der Behörden und des Unternehmens im Kreishaus.

Das Unternehmen kann einen Antrag stellen, dass die Verfügung für
einzelne Bereiche aufgehoben werden soll. Voraussetzung ist ein
Konzept zum Gesundheits- und Arbeitsschutz, das den Vorgaben der
Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen entspricht.