App soll Cannabis-Süchtigen den Ausstieg aus der Sucht erleichtern

Cannabis ein harmloses Kraut? Für Jugendliche ganz bestimmt nicht.
Mit einer speziellen App wollen Mannheimer Wissenschaftler jungen
Süchtigen helfen, von der Droge wegzukommen.

Mannheim (dpa/lsw) - Forscher vom Mannheimer Zentralinstitut (ZI) für
Seelische Gesundheit wollen jungen Menschen per App den Ausstieg aus
der Cannabissucht erleichtern. «Wir versuchen die guten Gefühle, die
Cannabis erzeugt, anders auszulösen», erläuterte ZI-Abteilungsleiter

Ulrich Reininghaus der Deutschen Presse-Agentur. Ziel sei, durch ein
niederschwelliges Angebot Selbstakzeptanz und Achtung der eigenen
Gefühle zu stärken und schließlich die toxische Substanz abzusetzen.


Für die von Reininghaus geleitete Studie werden 30 Probanden im Alter
von 14 bis 25 Jahren gesucht. Sie müssen Cannabis wöchentlich
konsumieren und als «digital natives», als mit digitalen Angeboten
aufgewachsene Menschen, Zugang zu neuen Medien haben. In den Blick
genommen wird der Teufelskreis von Stimmung, Suchtdruck und Konsum.

Die Abstinenz von dem aus Hanf gewonnenen Suchtmittel ist dem
Public-Health-Wissenschaftler wichtig, weil sich bei jungen Menschen
durch den Cannabismissbrauch das Psychose-Risiko enorm erhöht: Bei
täglichem Gebrauch hoch dosierten Marihuanas ist die
Wahrscheinlichkeit psychisch zu erkranken vier Mal höher als bei
Nicht-Konsumenten. Und 25 Prozent aller Psychotiker gebrauchen
Substanzen, vor allem Cannabis.

Psychosen gehen einher mit Denk- und Konzentrationsstörungen, mit dem
Hören von Stimmen und Verfolgungswahn. «Die Folgen sind Rückzug und
Isolation, Arbeitslosigkeit und Frühverrentung», sagte Reininghaus.
Oft seien die Familie und die gemeindepsychiatrische Versorgung die
einzigen Anker für die Kranken.

Über die App werden die Studien-Teilnehmer sehr eng begleitet und
zehn Mal am Tag nach ihrem Befinden und ihrem momentanen Konsum
befragt. Zugleich nehmen sie vier Mal in sechs Wochen an Therapien
teil, um zu lernen, ihre Gefühle zu steuern. Je nach Ergebnis der
Befragung werden den Patienten die passenden erlernten Techniken -
von Atemübungen über positiv besetzte Bilder bis hin zu wohlwollenden
Nachrichten an sich selbst - auf dem Smartphone vorgeschlagen. Daraus
kann dann eine personalisierte Therapie entstehen. Bis so eine App
aus Deutschland alle wissenschaftlichen Tests durchlaufen hat und
sicher auf dem Markt angeboten werden kann, kann es aber laut
Reininghaus noch bis zu drei Jahre dauern.