Betrug bei Corona-Soforthilfen - Tricks, Strafen und Schaden Von Anne Pollmann und Rachel Boßmeyer, dpa

Fake-Seiten, Phishing-Mails, falsche Angaben: Von den Finanzhilfen in
der Corona-Krise wollten auch viele Betrüger profitieren. Ein
Überblick zum Stand der Ermittlungen.

Berlin (dpa) - Schnell und unbürokratisch sollten Hilfsgelder in der
Corona-Krise ausgezahlt werden. Dabei haben einige die Hand
aufgehalten, denen die Gelder nicht zustehen. In allen Bundesländern
ermitteln die Behörden derzeit wegen Betrugs. Eine Umfrage der
Deutschen Presse-Agentur bei Landeskriminalämtern,
Staatsanwaltschaften und Landesministerien zeigt: Die umfangreiche
Aufarbeitung hat erst begonnen.

Wie groß ist der bisher entstandene Schaden?

Täglich kommen neue Verfahren hinzu, zu dem entstandenen Schaden
können Polizei und Justiz in vielen Fällen darum noch keine
endgültigen Angaben machen. Die Ermittlungsverfahren dauern zudem
häufig mehrere Monate. Recherchen der Deutschen Presse-Agentur
zufolge belaufen sich die Schätzungen bundesweit auf knapp 22
Millionen Euro. Von der niedersächsischen Investitions- und
Förderbank hieß es etwa, die Schadensumme belaufe sich auf etwa 2,9
Millionen Euro. Das Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt ließ
wissen, dass von dem geschätzten Schaden von 2,2 Millionen Euro
bereits 38 000 Euro zurückgezahlt worden seien. Das Berliner
Landeskriminalamt bezifferte den potentiellen Schaden auf etwa 10
Millionen Euro.

Wie viele Betrugsfälle gibt es bundesweit?

Die Zahl der bestätigten Betrugsfälle kann derzeit weder auf Landes-
noch auf Bundesebene verlässlich benannt werden, weil die
Ermittlungen vielerorts noch laufen. Das sind zunächst Verdachtsfälle
und keine bestätigten Fälle. Laut den Angaben der Behörden gab es
Anfang Juli bundesweit mindestens 5100 Betrugsverdachtsfälle.

Die Zahl ist nur bedingt aussagekräftig. Darin sind etwa keine Fälle
aus Nordrhein-Westfalen enthalten. Das dortige Landeskriminalamt
konnte bisher keine Angaben zu Verdachtsfällen machen. Ein
Verdachtsfall ist nicht gleich ein Betrug oder eine sonstige
strafbare Handlung. In Nordrhein-Westfalen hatten sich Ende Mai laut
einem Sprecher der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime
beispielsweise aus etwa 900 Einzelanzeigen im Zusammenhang mit
Fake-Seiten bis kurz vor Ende der Auswertung rund 11 tatsächliche
Betrugsfälle ergeben.

Die Zahl der Verdachtsfälle variiert zudem stark von Land zu Land: In
Berlin meldete das Landeskriminalamt Anfang Juli etwa 929
Ermittlungsvorgänge, aus Thüringen waren rund 50 Fälle bekannt.

Wie läuft der Betrug ab?

Die Behörden berichten von vielen Maschen. Die Betrüger machen etwa
falsche Angaben zu ihrer Situation oder setzen die ausgezahlten
Gelder nicht sachgerecht ein. Einige Unternehmen, für die Gelder
beantragt werden, existieren gar nicht oder sind bereits lange
insolvent, andere beantragen die Hilfen mehrfach. Manch einer
beantragte Hilfen für eine fremde Firma, gab aber die eigenen
Kontodaten an. Andere versuchen, mit den Daten anderer Menschen an
die Hilfen zu kommen - via Internet- oder Telefonbetrug oder auch
über Trickdiebstahl an der Haustür.

Häufiger wurde versucht, mit Hilfe sogenannter Fake-Seiten, die meist
offizielle Online-Auftritte imitieren, an Daten zu gelangen. Die
Seiten werden häufig im Ausland gehostet. Bundesweit waren den
Behörden Ende Mai nach dpa-Recherchen mindestens 18 solcher
Fake-Seiten in über der Hälfte aller Bundesländer bekannt. Nicht
immer wurden auch Daten über sie abgegriffen - und auch wenn Daten
abgegriffen wurden, ist in vielen Fällen kein Geld ausgezahlt worden.
Auch mit Hilfe von gefälschten Emails - sogenannten Phishing-Mails -
versuchten Betrügen, Daten abzugreifen.

Wie fliegt der Betrug auf?

Der Betrug fällt auf ganz unterschiedliche Weisen auf: Oft stellen
die Bewilligungsbehörden - häufig Förderbanken auf Landesebene -
Unstimmigkeiten im Antrag fest. Teilweise melden auch die Banken, bei
denen die Antragsteller ihr Konto haben, dass ihr Kunde keinen
Anspruch auf die Gelder hat - etwa weil er schon lange insolvent ist.
Andernorts haben sich Bürger bei den Behörden gemeldet, weil sie
vermuteten, Nachbarn hätten die Hilfen zu Unrecht erhalten.

Welche Strafen drohen?

Das variiert von Fall zu Fall. Mögliche strafrechtliche Vergehen sind
Geldwäsche, Subventionsbetrug, Fälschung beweiserheblicher Daten
und/oder Ausspähen von Daten. Je nachdem drohen Geld- und unter
Umständen auch Freiheitsstrafen - in besonders schweren Fällen bis zu
zehn Jahre, hieß es etwa aus Hessen.

Können die Verantwortlichen gefasst werden?

In vielen Fällen sind die Verdächtigen bekannt, die mit dem Antrag
auch ihre Identität preisgegeben haben. In anderen Fällen laufen die
Ermittlungen gegen unbekannt.

Wie wird versucht, den Betrug zu verhindern?

Nach Bekanntwerden der ersten Fälle wurde an vielen Stellen
nachgebessert: Bei der Antragstellung werden teilweise spezielle
Prüfteams eingesetzt, vielerorts sind Prüfverfahren oder die Zahl der
stichprobenartigen Überprüfungen ausgebaut worden. Gleichzeitig haben
Polizei und Bewilligungsstellen falsche Internetseiten publik gemacht
und zum Beispiel in den sozialen Medien vor den Tricks gewarnt,
Fake-Seiten wurden abgeschaltet, ausgezahlte Hilfen wurden häufig
sichergestellt. Außerdem kann die Finanzverwaltung im kommenden Jahr
prüfen, ob die Soforthilfen korrekt angegeben und rechtmäßig
beantragt wurden.