Neue französische Regierung kommt - Ermittlungen gegen Philippe

Nun geht alles ganz schnell: Bereits zu Wochenbeginn dürfte der
französische Premier Castex sein neues Kabinett vorstellen. Sein
Vorgänger Philippe muss sich dagegen Ermittlungen wegen seines
Umgangs mit der Corona-Pandemie stellen.

Paris (dpa) - Nach dem Rücktritt der französischen Regierung am
Freitag wird das Kabinett des neuen Premierministers Jean Castex
voraussichtlich schon an diesem Montag bekanntgegeben werden. Das
sagte der Präsident der Nationalversammlung, Richard Ferrand, am
Sonntag dem französischen Fernsehsender France 3. Castex selbst
deutete in einem am Sonntag im «Journal du Dimanche» veröffentlichten

Interview an, dass die Vorstellung des Kabinetts kurz bevor stehe.
Präsident Emmanuel Macron und er würden zügig an dem neuen
Regierungsteam arbeiten.

Über die neue Regierungsriege wurde zunächst nur wenig bekannt.
Castex hatte nach seiner Amtseinführung am Freitag in einem
Fernsehinterview eine umfassende Umbildung angekündigt und von «neuen
Talenten» und «Persönlichkeiten mit unterschiedlichem Hintergrund»

gesprochen. Wie die französische Nachrichtenagentur AFP unter Bezug
auf den Präsidentenpalast am Sonntag mitteilte, soll das neue
Kabinett aus ungefähr zwanzig Ministern und Beigeordneten Ministern
bestehen.

Im Gespräch für das Umweltministerium ist die 69-jährige Laurence
Tubiana. Sie war die französische Verhandlungsführerin bei der
UN-Klimakonferenz in Paris 2015 und ist Co-Vorsitzende des
Bürgerkonvents für das Klima, der Macron Vorschläge zur Bekämpfung

des Klimawandels vorgelegt hatte.

Die Regierung unter Premierminister Édouard Philippe war am Freitag
vor dem Hintergrund des Sieges der Grünen bei den Kommunalwahlen
zurückgetreten. Nur wenige Stunden später präsentierte Macron einen
neuen Premier: den weithin unbekannten 55-jährigen Castex.

Der Rücktritt Philippes, der in Umfragen zuletzt mit rund 58 Prozent
in der Publikumsgunst weit vorne stand, war keine Überraschung. Der
49-Jährige wurde am Sonntag Bürgermeister der Hafenstadt Le Havre am
Ärmelkanal. Das Amt hatte er bereits von 2010 bis 2017 inne gehabt.
Beobachter schließen nicht aus, dass er sich mit seiner Wiederwahl in
Le Havre für die Präsidentenwahl 2022 in Stellung bringt.

Allerdings hat die Justiz kurz nach Philippes Rücktritt Ermittlungen
gegen ihn wegen Vorwürfen im Umgang mit der Corona-Krise eingeleitet.
Ihm wird fehlende Bekämpfung einer Katastrophe vorgeworfen, wie
französische Medien übereinstimmend berichteten. Die Untersuchungen
richten sich auch gegen Philippes ehemalige Gesundheitsministerin
Agnes Buzyn und ihren Nachfolger Olivier Véran.

Frankreich ist von der Corona-Krise schwer getroffen und zählt rund
30 000 Tote. Auf dem Höhepunkt der Krise hatte die Regierung
Versäumnisse im Umgang mit der Pandemie eingeräumt. In der Kritik
stand besonders der Mangel an Masken, Schutzkleidung und Tests.

Beim Gerichtshof der Republik waren seit Anfang März zahlreiche
Klagen eingegangen. Er ist als einzige Institution in Frankreich in
der Lage, Minister für Handlungen zu verurteilen, die in Ausübung
ihres Amtes begangen wurden. Französische Präsidenten können im Amt
nicht von der Justiz verfolgt werden.

Die Kommission, die nun die Untersuchungen gegen Philippe, Véran und
Buzyn leitet, kann diese und die Beschwerdeführer nun anhören. Erst
danach wird entschieden, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt.

Buzyn hatte sich bereits Anfang der Woche vor einem
Untersuchungsausschuss in der Nationalversammlung rechtfertigen
müssen. Sie hatte versichert, das Risiko zu keiner Zeit unterschätzt
zu haben. Philippe hatte die Franzosen durch die Corona-Krise
navigiert - er wurde während dieser Zeit immer beliebter und gab den
Menschen das Gefühl der Verlässlichkeit. Bei den Lockerungen trat er

- anders als Macron - auf die Bremse.

Er werde der Untersuchungskommission alle Antworten und Informationen
vorlegen, die für das Verständnis seines Handelns und das seiner
Regierung angesichts der beispiellosen Weltgesundheitskrise
erforderlich seien, erklärte Philippe.

Der blass wirkende Castex kündigte per Twitter für «vor Mitte Juli»

eine politische Grundsatzrede an. Zuvor hatte er gesagt, er wolle im
Gefolge der Corona-Krise einen neuen Sozialpakt aushandeln und suche
nicht das Licht, sondern Ergebnisse. Castex gilt als Technokrat, der
Macron - anders als Philippe am Ende - eher nicht in den Schatten
stellen und die Pläne des Präsidenten geräuschlos umsetzten wird.