Proteste bei Tönnies - Söder: Agrar-Ökologie statt Agrar-Kapitalismus

Demonstranten besetzen das Dach eines Tönnies-Werkes in
Rheda-Wiedenbrück und fordern ein Ende der Fleischfabriken. Ganz
ähnliche Töne schlägt Bayerns Ministerpräsident Söder an.

Rheda-Wiedenbrück (dpa) - Aktivisten haben am Samstag am
Hauptstandort des in die Kritik geratenen Fleischverarbeiters Tönnies
in Nordrhein-Westfalen gegen Massentierhaltung protestiert. Vier
Teilnehmer besetzten zeitweise das Dach des Betriebs und brachten
dort ein Transparent mit der Aufschrift «Shut Down Tierindustrie» an.
Ähnliche Forderungen kamen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder

(CSU), der sich in einer Videobotschaft für kleinere
Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland stark machte. «Agrar-Ökologie
statt Agrar-Kapitalismus - das könnte doch ein Weg sein für die
Zukunft», sagte der 53-Jährige. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia
Klöckner (CDU) prüft derweil juristische Schritte gegen
Fleisch-Billigangebote.

Bei den Protesten bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück blockierten
Demonstranten die Hauptzufahrt der Fleischfabrik und verlangten auf
Transparenten «Schlachthäuser schließen!» und «Schluss mit der
Ausbeutung von Mensch, Tier, Natur». Zu dem Protest aufgerufen hatte
das Bündnis «Gemeinsam gegen die Tierindustrie».

In einer Erklärung forderte das Bündnis, der aktuell wegen
zahlreicher Coronavirus-Infektionen unter den Mitarbeitern
stillgelegte Schlachthof müsse dauerhaft geschlossen bleiben. Vor der
Fabrik demonstrierten nach Augenzeugenberichten knapp 100 Personen
friedlich gegen die Tierindustrie.

Bayerns Ministerpräsident forderte derweil mehr Geld für die
Landwirtschaft, «aber für eine Wende hin zu mehr Agrar-Ökologie»,
sagte Söder. Die Landwirte müssten mehr Möglichkeiten bekommen, ihre

Ställe und das Tierwohl zu organisieren und trotzdem wirtschaftlich
zu bleiben. Viele Bürger seien auch bereit, dann mehr Geld
auszugeben. «Es soll so sein, dass Fleisch nicht unendlich teuer
wird, es soll für jeden erschwinglich sein.»

Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner sagte der «Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung», dass es kein Recht auf tägliches
Billigfleisch gebe. Dumpingpreise für Fleisch würden nicht dem Wert
der Ware entsprechen. «Ich lasse derzeit juristisch prüfen, inwieweit
es möglich ist, der Werbung mit Lockangeboten beim Fleisch Einhalt zu
gebieten», sagte Klöckner der «FAS». Wertschätzung für Tiere un
d die
Menschen in der Branche könne nicht entstehen, wenn Dumpingpreise an
der Tagesordnung seien. Mehr Tierwohl erreichen möchte die
CDU-Politikerin mit Stallumbauten, einem staatlichen
Tierwohlkennzeichen oder Prämien für Landwirte, die ihre Betriebe
entsprechend umbauen.

Der Fleischverarbeiter Tönnies hatte in den vergangenen Wochen
Schlagzeilen gemacht, weil dort mehr als 1500 Mitarbeiter mit dem
Virus Sars-Cov-2 infiziert worden waren. Die Bevölkerung in den
Kreisen Gütersloh und Warendorf hatte deshalb erneut weitgehende
Einschränkungen des Alltags hinnehmen müssen. Die Einschränkungen im

Kreis Gütersloh gelten noch bis zum 7. Juli.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) lag die sogenannte
Sieben-Tage-Inzidenz dort am Samstag bei 66,5. Die Kennziffer
beschreibt, wie viele Neuinfektionen es pro 100 000 Einwohner in den
vergangenen sieben Tagen gab. Zum Höhepunkt des Corona-Ausbruchs bei
Tönnies lag der Wert bei 270,2. Als Grenzwert für das Ende eines
regionalen Lockdowns gilt der Wert 50. Im Kreis Warendorf, in dem
ebenfalls viele Tönnies-Mitarbeiter wohnen, war die Zahl der
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben
Tage zuletzt bereits unter diesen Grenzwert gefallen.