Justiz ermittelt gegen Ex-Premier Philippe in Corona-Krise

Gerade erst hat sich Édouard Philippe unter langanhaltendem Applaus
von seinem Amt als französischer Premierminister verabschiedet. Nun
laufen gegen ihn und zwei seiner früheren Minister Ermittlungen.
Ihnen werden Fehler im Umgang mit der Corona-Pandemie vorgeworfen.

Paris (dpa) - Nach dem Rücktritt der französischen Regierung hat die

Justiz wegen Vorwürfen im Umgang mit der Corona-Krise gegen den
bisherigen Premier Édouard Philippe und zwei Ex-Minister
Untersuchungen eingeleitet. Ihnen wird fehlende Bekämpfung einer
Katastrophe vorgeworfen, wie mehrere französische Medien
übereinstimmend berichteten. Die Untersuchungen richten sich neben
Philippe gegen die ehemalige Gesundheitsministerin Agnes Buzyn und
ihren Nachfolger Olivier Véran. Unterdessen wird in Frankreich mit
Spannung erwartet, wie die neue Regierung aussehen wird.

Philippe und die Regierung waren am Freitagmorgen geschlossen
zurückgetreten. Nur wenige Stunden später präsentierte Präsident
Emmanuel Macron einen neuen Premier: den weithin unbekannten Jean
Castex. Die Regierungsumbildung markiert Macrons politischen Neustart
und war erwartet worden. Philippe wurde unter lang anhaltendem
Applaus im Amtssitz des Premiers verabschiedet.

Frankreich ist von der Corona-Krise schwer getroffen und zählt rund
30 000 Tote. Auf dem Höhepunkt der Krise hatte die Regierung
Versäumnisse im Umgang mit der Pandemie eingeräumt. In der Kritik
standen besonders der Mangel an Masken, Schutzkleidung und Tests.

Beim Gerichtshof der Republik waren zahlreiche Klagen eingegangen. Er
ist als einzige Institution in Frankreich in der Lage, Minister für
Handlungen zu verurteilen, die in Ausübung ihres Amtes begangen
wurden. Französische Präsidenten können im Amt nicht von der Justiz
verfolgt werden.

Die Kommission, die nun die Untersuchungen gegen Philippe, Véran und
Buzyn leitet, kann diese und die Beschwerdeführer nun anhören. Erst
danach wird entschieden, ob es überhaupt zu einem Prozess kommt.

Buzyn hatte sich bereits Anfang der Woche vor einem
Untersuchungsausschuss in der Nationalversammlung rechtfertigen
müssen. Sie hatte versichert, das Risiko zu keiner Zeit unterschätzt
zu haben. Philippe hatte die Franzosen durch die Corona-Krise
navigiert - er wurde während dieser Zeit immer beliebter und gab den
Menschen Verlässlichkeit. Bei den Lockerungen trat er aber anders als
Macron auf die Bremse.

Er werde der Untersuchungskommission alle Antworten und Informationen
vorlegen, die für das Verständnis seines Handelns und das seiner
Regierung angesichts der beispiellosen Weltgesundheitskrise
erforderlich seien, erklärte Philippe nun nach Angaben der
französischen Nachrichtenagentur AFP. Er geht nun als Bürgermeister
nach Le Havre in Nordfrankreich. Beobachter schließen nicht aus, dass
er sich für die Präsidentenwahl 2022 in Stellung bringt.

Offen ist nun noch, wie das neue Kabinett von Castex aussehen wird.
Der 55-Jährige hatte in einem TV-Interview am Freitagabend erklärt,
so schnell wie möglich eine neue Regierung bilden zu wollen. «Ja, es
gibt immer neue Gesichter, neue Talente», hatte Macron zuletzt in
einem Interview Regionalzeitungen gesagt.

Im Gespräch für das Umweltministerium ist die 69-jährige Laurence
Tubiana. Sie war die französische Verhandlungsführerin bei der
UN-Klimakonferenz in Paris 2015 und ist Co-Vorsitzende des
Bürgerkonvents für das Klima, der Macron Vorschläge zur Bekämpfung

des Klimawandels vorgelegt hatte.

Der blass wirkende Castex kündigte am Freitag an, in der kommenden
Woche eine politische Grundsatzrede zu halten. Es wolle im Zuge der
Folgen der Corona-Krise einen neuen Sozialpakt aushandeln und suche
nicht das Licht, sondern Ergebnisse. Castex gilt als Technokrat, der
Macron - anders als Philippe am Ende - eher nicht in den Schatten
stellen und die Pläne des Präsidenten geräuschlos umsetzten wird. Ein

starker Linksschwenk bleibt damit aus. Den hatten Beobachter nach dem
Erfolg der Grünen bei der Kommunalwahl erwartet.