Corona-Fälle nehmen in den USA weiter rapide zu - Trump beschwichtigt

Die dramatische Zunahme an Corona-Infektionen in den USA bricht nicht
ab. Gesundheitsexperten in den USA mahnen angesichts der Feiern zum
Unabhängigkeitstag zur Vorsicht. Dort, wo Präsident Trump erwartet
wird, soll in Freiheit gefeiert werden - ohne soziale Distanz.

Washington (dpa) - Die USA kämpfen weiter mit einem dramatischen
Anstieg der Corona-Fälle. Mit rund 52 300 Neuinfektionen binnen 24
Stunden wurde laut Daten der Johns-Hopkins-Universität am Donnerstag
(Ortszeit) ein neuer Höchststand erreicht. Zum Start des langen
Feiertagswochenendes zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli rief der
oberste Gesundheitsbeamte der US-Regierung, Vizeadmiral Jerome Adams,
die Menschen am Freitag auf, Schutzmasken zu tragen und soziale
Distanz zu wahren, sollten sie sich in der Öffentlichkeit aufhalten.

Ganz anders soll es bei den Feierlichkeiten am Mount Rushmore in
South Dakota ablaufen, wo US-Präsident Donald Trump mit First Lady
Melania am Abend (Ortszeit/Samstagmorgen MESZ) zum Feuerwerk am
Nationaldenkmal mit den in den Fels gehauenen Köpfen von vier
Ex-Präsidenten erwartet werden. Die republikanische Gouverneurin
Kristi Noem hatte im Vorfeld klargemacht, dass keine soziale Distanz
gewahrt werde. Die Menschen sollten kommen, um zu feiern, um «die
Freiheiten zu genießen, die wir in diesem Land haben», so ihre Worte.

Angesichts der dramatischen Zunahme an Fallzahlen versuchte Trump
erneut zu beschwichtigen. «Es gibt eine Zunahme der
Coronavirus-Fälle, weil unser Testverhalten so massiv und so gut ist,
viel größer und besser als in jedem anderen Land», schrieb er am
späten Donnerstagabend (Ortszeit) auf Twitter. Dies seien «großartige

Neuigkeiten». Außerdem sei die Sterblichkeitsrate zurückgegangen, und

jüngere Menschen erholten sich viel leichter und schneller.

Vizeadmiral Adams warnte am Freitag mit Blick auf die
Sterblichkeitsrate vor voreiligen Schlüssen. Man wisse, dass die
Todesfälle den Infektionszahlen mindestens zwei Wochen oder sogar
mehr «hinterherhinken», sagte Adams. Mit Blick auf die Vielzahl
junger Menschen, die derzeit positiv getestet werden, machte er klar,
dass dies kein Grund zur Entwarnung sei. «Worüber wir uns vor allem
bei jungen Leuten Sorgen machen ist, dass sie es bekommen und dann
ihre Großmutter, ihren Großvater anstecken.»

Trump hat die Zunahme der Fallzahlen wiederholt mit der Ausweitung
der Tests begründet. Kritiker werfen ihm vor, das Infektionsgeschehen
herunterspielen zu wollen. Sie verweisen auf eine steigende Zahl von
Krankenhauseinweisungen. Sie machen außerdem geltend, dass bei einer
Ausweitung der Tests der Anteil positiver Resultate zurückgehen oder
zumindest gleichbleiben müsste, wenn Trumps These stimmen sollte.
Auch Vize-Gesundheitsminister Brett Giroir wies am Donnerstag bei
einer Anhörung im US-Senat daraufhin, dass der Anteil positiver
Testungen steige. «Das ist also eine tatsächliche Zunahme an Fällen
»,
sagte er.

In Texas vollzog Gouverneur Greg Abbott angesichts des dramatischen
Anstiegs der Neuinfektionen eine Kehrtwende. Der Republikaner ordnete
am Donnerstag eine Maskenpflicht für alle Bezirke mit 20 oder mehr
Corona-Fällen an. Damit könne die Ausbreitung des Virus nicht nur
verlangsamt, sondern auch die Wirtschaft am Laufen gehalten werden,
erklärte Abbott. Er folgte damit der Linie von mehr als einem Dutzend
Bundesstaaten. Der Schritt war dennoch bemerkenswert. Abbott hatte im
Juni noch gesagt: «Die Regierung kann nicht vorschreiben, dass
Einzelpersonen Gesichtsmasken tragen müssen.»

Trumps Widerstand gegen die Schutzmaske scheint dagegen ungebrochen.
Anders als viele andere Politiker zeigt er sich nicht mit Maske in
der Öffentlichkeit und begründet dies immer wieder damit, dass er und
die Leute um ihn herum stets auf das Virus getestet würden. Erst am
Mittwoch äußerte sich der Republikaner skeptisch über eine
landesweite Maskenpflicht.

Dabei mehren sich Hinweise darauf, dass sich das verpflichtende
Tragen von Schutzmasken positiv auf den weiteren Verlauf der Pandemie
auswirkt. Eine im Juni veröffentlichte Studie kam zu dem Schluss,
dass das Tragen von Schutzmasken in Italien und New York jeweils
Zehntausende Corona-Infektionen verhindert hat. Forscher des
Instituts IHME der Universität Washington in Seattle sagen voraus,
der umfassende Einsatz von Schutzmasken bis Oktober zu 25 000 weniger
Toten führen könnte als unter derzeitigen Umständen. Die Weiße Haus

hat das IHME-Modell mehrfach für seine eigenen Prognosen
herangezogen. Auch Vizeadmiral Adams warb für die Schutzmaske: «Das
sind Mittel der Freiheit», sagte er. Wenn mehr Menschen die Maske
tragen, würde die Ausbreitung des Virus gebremst, was wiederum die
Rückkehr zur Normalität erleichtere.

Führende Wirtschaftsvertreter appellierten an das Weiße Haus, es
müsse mit den Gouverneuren Regelungen für das verpflichtende Tragen
von Masken in der Öffentlichkeit ausarbeiten. Auf Freiwilligkeit
basierende Richtlinien reichten nicht aus, um die Gesundheit der
Menschen zu schützen, hieß es in einem offenen Brief, der unter
anderem vom Vorstandsvorsitzenden der US-Handelskammer unterzeichnet
wurde. Ohne stärkere Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung
drohe Amerika eine «weitere Runde an Shutdowns, weitreichenden
Beschränkungen für nicht essenzielle Betriebe und irreparablen
wirtschaftlichen Schaden».

Die Wirtschaft des Landes, die empfindlich von der Pandemie getroffen
wurde, ist Trump wenige Monate vor der Wahl im November ein wichtiges
Anliegen. Am Donnerstag bejubelte er die rasche Verbesserung der Lage
am Arbeitsmarkt, die «alle Erwartungen übertroffen» habe. Die am
Donnerstag veröffentlichte Arbeitslosenquote fiel stärker als
erwartet von 13,3 Prozent im Mai auf 11,1 Prozent im Juni. Fast fünf
Millionen Amerikaner haben im Juni wieder Arbeit gefunden. Doch die
positiven Nachrichten sind mit Vorsicht zu genießen - denn wegen der
Zuspitzung der Lage im Süden des Landes droht neues Unheil. Die
Arbeitslosenquote für Juni beruhte auf Daten, die nur die Situation
bis zur Mitte des Monats abbildeten. Mögliche Auswirkungen der
jüngsten Zuspitzung spiegelten sich darin deshalb noch nicht wider.

Nach Berechnung von US-Medien haben mindestens 20 Staaten infolge der
rapide steigenden Infektionszahlen die phasenweise Wiedereröffnung
der Wirtschaft gebremst, pausiert oder Lockerungen gar
zurückgenommen. Insgesamt wurden in den USA seit Beginn der Pandemie
mehr als 2,7 Millionen Infektionen mit dem Erreger Sars-CoV-2
nachgewiesen, wie aus Daten der Universität Johns Hopkins hervorgeht.
Fast 130 000 Menschen starben an oder mit dem Virus.