Enquete-Kommission zur Pandemie nimmt Arbeit auf - enger Zeitplan

Dass in einer so unerwartet heraufgezogenen Pandemie nicht alles
richtig gemacht werden kann, darin ist sich die Politik
parteiübergreifend einig. Eine Enquete-Kommission soll nun
Verbesserungspotenzial für die Zukunft aufzeigen.

Mainz (dpa/lrs) - Als eines der ersten Parlamente in Deutschland hat
der rheinland-pfälzische Landtag eine Enquete-Kommission zur
Corona-Pandemie und dem Umgang damit auf den Weg gebracht. Am Freitag
nahm das Gremium aus neun Abgeordneten und derzeit fünf sogenannten
sachverständigen Mitgliedern in Mainz die Arbeit auf. Konkret sollen
Maßnahmen der vergangenen Monate gegen das neue Coronavirus kritisch
betrachtet werden, um bei einer möglichen zweiten Welle oder einer
anderen Pandemie das Vorgehen zu optimieren. Der Zeitplan ist eng,
schon im Dezember soll sie dem Landtag den Abschlussbericht vorlegen.

Die erste Sitzung in der Steinhalle des Mainzer Landesmuseums, wo mit
Ausnahme der vergangenen Wochen normalerweise der Landtag
zusammenkommt, war geprägt von Organisatorischem. Zum Vorsitzenden
wurde einstimmig der SPD-Abgeordnete und frühere Justizminister des
Landes, Jochen Hartloff, gewählt. Ebenfalls einstimmig fiel die Wahl
des CDU-Gesundheitsexperten Christoph Gensch zum Stellvertreter aus.

Die Kommission war mit den Stimmen der Ampel-Koalition und der
oppositionellen CDU-Fraktion eingesetzt worden. Die AfD-Fraktion
hatte den Schritt kritisiert, Fraktionschef Uwe Junge hatte gar von
einem «Verschleppungsgremium» gesprochen. Als Experten sitzen in dem
Gremium die Geschäftsführende Direktorin des Landkreistages, Daniela
Franke, der Geschäftsführer des Landeskrankenhauses Andernach und
Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, der
Geschäftsführer der Pflegegesellschaft, Sebastian Rutten, der
Hauptgeschäftsführer der Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU),

Karsten Tacke, sowie Jan Paul Heisig vom Wissenschaftszentrum Berlin
für Sozialforschung. Die AfD-Fraktion hat bislang kein
sachverständiges Mitglied benannt, obwohl ihr das zustünde.

Rutten von der Pflegegesellschaft sagte, besonders die Anfangszeit
der Pandemie sei sehr schwierig gewesen. Einige Menschen hätten nicht
so geschützt werden können, wie das angemessen gewesen wäre. So
hätten nicht alle Einrichtungen genügend angemessene Schutzausrüstung

gehabt. «Das darf uns nicht mehr passieren», sagte Rutten. Der
Soziologe Heisig sagte, er wolle einen Schwerpunkt auf soziale
Ungleichheiten legen, die in der Krise noch verstärkt worden seien,
und wie sich diese etwa auf das Risiko einer Infektion oder die
Sterblichkeit auswirkten. Auch müsse man sich damit
auseinandersetzen, dass im Herbst eine zweite Welle und auch
neuerliche Schulschließungen kommen könnten.

Gaß betonte, Deutschland und Rheinland-Pfalz seien bisher gut durch
die Krise gekommen. Dazu hätten die funktionsfähigen Strukturen in
Verwaltung und Gesundheitswesen beigetragen. Hier hätten sich
insbesondere auch föderale Strukturen bewährt. Auch die politischen
Vertreter der Kommission steckten ab, welchen Fokus sie in den
kommenden Monaten legen wollen. Die CDU-Abgeordnete Hedi Thelen
sagte, es gelte, kluge Entscheidungen für die Zukunft zu treffen. «Es
ist sicher, es wird nicht die letzte Seuche sein.» Es wäre wunderbar,
wenn die Arbeit der Kommission ein Stück weit dazu beitrage, eine
zweite Welle zu verhindern oder besser auf sie vorbereitet zu sein.

Die SPD-Obfrau in der Enquete, Kathrin Anklam-Trapp, warnte davor,
die Pandemie zu früh abzuhaken. Wie schnell sich die Lage ändern
könne, habe nicht zuletzt der Landtag selbst kürzlich erlebt. Eine
Plenumssitzung war Ende Juni kurzfristig abgesagt worden, weil die
SPD-Abgeordnete und Landtagsvizepräsidentin Astrid Schmitt vorher
Kontakt mit einer später positiv auf Covid-19 getesteten Person
hatte. Ein Test bei Schmitt fiel letztlich negativ aus.

Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern in Schwerin hatte Mitte Mai
die Einsetzung einer Enquete-Kommission beschlossen, die die
Gesundheitsversorgung im Land unter die Lupe nehmen soll. Hier wird
es neben der Pandemie aber auch um den Mangel an Landärzten oder die
Schließung von Klinikbereichen gehen. In Bayern will die
Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) die Corona-Politik der
Staatsregierung von einem Bürgerrat überprüfen lassen - eine
Unterschriftensammlung zur Einsetzung einer Enquete-Kommission im
Landtag hat sie ins Netz verlagert. Die Petition setzt für die
Besetzung einer Kommission nicht auf Abgeordnete, sondern auf ein
Losverfahren für 60 interessierte Bürger.

Die rheinland-pfälzische Kommission trifft sich nach der Sommerpause
des Parlaments am 21. August und 11. September zu Videokonferenzen.
Beim ersten Termin werden Experten zum Thema «Vorsorge- und
Bekämpfungsmaßnahmen der staatlichen und kommunalen Ebene» gehört,

beim zweiten zum aktuellen Forschungsstand der Wissenschaft. Weitere
vier Sitzungen sind bis Ende November geplant, bevor Mitte Dezember
die Besprechung des Abschlussberichts im Landtag ansteht.

Das Kabinett wird sich nach Angaben der Staatskanzlei auch in den
Sommerferien wöchentlich dienstags beraten. Ministerpräsidentin Malu
Dreyer (SPD) sagte: «Das Infektionsgeschehen in Rheinland-Pfalz ist
dank gemeinsamer Anstrengungen und dank des verantwortungsbewussten
Verhaltens der Menschen in unserem Land weiterhin sehr moderat. Aber
wir alle wissen: Das Corona-Virus ist weiterhin aktiv und erfordert
allerhöchste Wachsamkeit, wie die jüngsten lokalen Ausbrüche zeigen.
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