Feuerwerk vor Nationalfeiertag: «Schwierige Zeit, Amerika zu feiern» Von Christina Horsten, dpa

Am 4. Juli feiern die USA «Independence Day», normalerweise mit
Partys und Feuerwerk. Nun aber fällt der patriotische Feiertag mitten
in Corona-Krise und Anti-Rassismus-Proteste. Trotzdem gibt es schon
seit Wochen vielerorts illegales Feuerwerk - diesmal aus Protest?

New York (dpa) - Lautes Knallen und Zischen durchbricht derzeit jede
Nacht die Stille der in der Coronavirus-Pandemie weitgehend
verstummten Millionenmetropole New York. Nach jeder Explosion
erhellen irgendwo über der Stadt bunte Lichter den dunklen Himmel.
«Das geht jetzt schon seit Wochen so», sagt die Mitarbeiterin eines
Cafés in Manhattan. Unter ihren Gästen, die derzeit Kaffee und
Teilchen nur zum Mitnehmen abholen können, sei der nächtliche Krach
eines der vorherrschendsten Gesprächsthemen. «Eigentlich mag ich ja
Feuerwerk, aber dieses macht mir irgendwie auch Angst. Und es weckt
mich ständig auf nachts.» 

Feuerwerk gehört zum «Independence Day», dem Nationalfeiertag der
USA am Samstag (4. Juli), dazu. Normalerweise wird dieser
patriotischste aller Feiertage des Landes, der auf die
Unabhängigkeitserklärung 1776 zurückgeht, traditionell in den Farben

der blau-weiß-roten Nationalflagge, mit großen Grillpartys und
riesigem Feuerwerksspektakel begangen.

Angesichts steigender Coronavirus-Neuinfektionen in weiten Teilen des
Landes sind solche Veranstaltungen aber vielerorts abgesagt worden,
beispielsweise in Los Angeles. Das Großfeuerwerk in New York wurde
auf mehrere Tage verteilt, um zu verhindern, dass wie sonst üblich
Zehntausende an den Flussufern der Stadt gemeinsam das Spektakel
anschauen. US-Präsident Donald Trump wurde am Vorabend des
Nationalfeiertags bei einem Feuerwerk am Denkmal Mount Rushmore im
US-Bundesstaat South Dakota erwartet.

Private Feuerwerke sind in Teilen der USA verboten, auch in der dicht
bevölkerten Millionenmetropole New York. Rund um den
Unabhängigkeitstag aber feuern jedes Jahr einige Menschen illegal
besorgte Böller, Knaller und Raketen ab. Normalerweise geht das im
Getöse New Yorks unter. Diesmal aber ist es deutlich mehr, und es
trifft auf eine von der Coronavirus-Pandemie und anhaltenden
Protesten gegen Polizeibrutalität und Rassismus schwer gebeutelte
Stadt.

Während es im ersten Halbjahr 2019 laut Polizei 54 Beschwerden wegen
illegalen Feuerwerks gab, waren es 2020 bereits mehr als 11 000. In
zahlreichen anderen Städten der USA mehren sich ebenfalls solche
Beschwerden, auch Berichte über Verletzte und Sachschäden gibt es
schon.

New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo gestand vor kurzem in einem
Interview mit dem Radiosender WAMC ein, dass er selbst derzeit
manchmal von der Knallerei nachts wach werde. «Ich weiß nicht, was da
los ist. In New York klingt es momentan nachts manchmal wie im Wilden
Westen.» Die Situation sei «außer Kontrolle». Wie auch Bürger
meister
Bill de Blasio kündigte Cuomo an, gegen den illegalen Verkauf von
Feuerwerkskörpern vorgehen zu wollen. «Wir werden das hart angehen
und sofort dagegen vorgehen», sagte de Blasio und ließ eine
Sondereinheit der Polizei einrichten, die bereits erste Festnahmen
verkündete. Zuvor hatten zahlreiche Menschen vor seinem Wohnsitz in
Manhattan gegen die Knallerei demonstriert und laut mit ihren Autos
gehupt. «Wenn wir nicht schlafen können, schläft keiner», wurde
skandiert.

Warum die Feuerwerksknallerei in diesem Jahr so stark zugenommen hat,
darüber kursieren derzeit viele Theorien - bis hin zu
Verschwörungstheorien. Am wahrscheinlichsten aber erscheint die
simpelste Theorie von allen: Langeweile. In der Corona-Krise hat in
New York immer noch vieles geschlossen, Schulen und Universitäten,
die zuletzt sowieso nur noch online stattfanden, sind in der
Sommerpause. Zehntausende Menschen haben ihre Jobs verloren. «Wir
feiern quasi die Tatsache, dass wir überlebt haben», sagte ein
24-Jähriger, der anonym bleiben wollte, der «New York Times».

Aber eine zweite Krise mischt sich auch noch dazu. Nach dem Tod des
Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in
Minneapolis demonstrieren seit Wochen landesweit tausende Menschen
gegen Rassismus und Polizeibrutalität. Auch das private Feuerwerk
könnte mancherorts Teil des Protests sein. Es sei eine mutige
Handlung als Protest gegen die Polizei, sagte der 24-Jährige in New
York. «Denn es ist illegal, aber wir machen es trotzdem.»

Der Verband der Feuerwerkshersteller der USA bestätigte, dass in
diesem Jahr deutlich mehr Knaller, Böller und Raketen verkauft worden
seien als in den Jahren zuvor - und forderte die Menschen auf,
vorsichtig damit umzugehen. «Jetzt wo unser Land wieder aufmacht,
wollen die Amerikaner den Fourth of July begehen und ihren
Patriotismus gemeinsam mit Freunden und Familien feiern», sagte Steve
Houser, Präsident der National Fireworks Association.

Nach Patriotismus aber ist vielen Menschen in dem Land, das sonst so
gerne seine Größe, Stärke und Einzigartigkeit betont und in dem die
Nationalflagge allgegenwärtig ist, angesichts der dramatischen
Zuspitzung der Corona-Krise und der Proteste gegen Rassismus und
Polizeibrutalität derzeit überhaupt nicht. «Mein ganzes Leben hat man

mir immer wieder gesagt, dass ich das Glück habe, im besten Land der
Erde aufzuwachsen», sagt eine junge New Yorkerin, die wegen der
Corona-Krise derzeit bei ihrer Mutter im Nachbarbundesstaat New
Jersey wohnt. «Jetzt schaue ich mich hier um und schäme mich so.» E
s
sei diesmal ein komplett anderer Nationalfeiertag als in den Jahren
zuvor, schrieb die «USA Today»: «Es ist eine schwierige Zeit, um
Amerika zu feiern».