Nach langem Ringen: Bundestag will Grundrente verabschieden

Lange hat die große Koalition um die Grundrente gerungen. Am
Donnerstag soll sie nun im Bundestag verabschiedet werden. Kritik
daran gibt es aber nach wie vor.

Berlin (dpa) - Politiker der großen Koalition haben vor der
entscheidenden Abstimmung im Bundestag an diesem Donnerstag die
Einführung der Grundrente verteidigt. Ex-Gesundheitsminister Hermann
Gröhe (CDU) sieht darin einen wichtigen Baustein im Kampf gegen
Altersarmut, die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Mast
einen «einen guten Tag für Gerechtigkeit und die Anerkennung von
Lebensleistung». Kritik kommt aus der Opposition.

Der Bundestag will die Grundrente nach langem koalitionsinternen
Streit am Donnerstag verabschieden. Das Gesetz soll zum 1. Januar
2021 starten. Die Renten von rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen
Bezügen sollen damit aufgebessert werden. Sie müssen aber mindestens
33 Jahre Beiträge eingezahlt haben. In der Union gab es bis zuletzt
Kritik an der Finanzierung der auf 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro
geschätzten Kosten pro Jahr. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte
dafür eine Finanztransaktionssteuer einsetzen. Die ist aber nicht in
Sicht. Jetzt kommt das Geld aus dem Bundeshaushalt.

Gröhe sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Grundrente sei
eingebunden in eine armutsbekämpfende Rentenpolitik insgesamt, zu der
in der Vergangenheit auch schon Verbesserungen bei der
Erwerbsminderungsrente gehört hätten. Das Wichtigste sei, dass die
Finanzierung nicht über eine Beitragserhöhung komme. Finanzminister
Scholz habe die Debatte mit markigen Worten begleitet, dann aber bei
der Finanztransaktionssteuer nicht geliefert, so Gröhe. «Aber
darunter sollen die Rentnerinnen und Rentner mit kleiner Rente nicht
leiden», sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete.

«Für Menschen, die jeden Cent und Euro umdrehen müssen, ist die
Grundrente wirklich eine deutliche Verbesserung», lobte Gröhe. Eine
Höherstufung gebe es unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nur, wenn
wirklicher Bedarf festgestellt werde. «Deswegen haben wir Vorschläge
der Sozialdemokratie, gleichsam alle niedrigen Renten mit der
Gießkanne aufzustocken, abgelehnt.»

SPD-Fraktionsvize Mast sagte der dpa, es seien vor allem Frauen, die
von der Grundrente profitierten und Menschen in den östlichen
Bundesländern. «Das war ein dickes politisches Brett. Lange hat sich
die Union gesträubt. Sie springt auf den Zug auf - den Weg haben wir
Sozialdemokraten geebnet.»

Lob kam auch von Gewerkschaften. «Mit der Grundrente wird die
Lebensleistung von 1,3 Millionen Rentnerinnen und Rentnern endlich
anerkannt. Nach 35 Arbeitsjahren darf niemand zum Bittsteller beim
Sozialamt werden», so IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Die Ursache für
Altersarmut werde die Grundrente aber nicht beseitigen können,
nämlich niedrige Löhne.

Der FDP-Arbeitsmarktpolitiker Johannes Vogel hielt der großen
Koalition dagegen vor, mit ihrem Grundrentenmodell nur wenig gegen
Altersarmut ausrichten zu können. Es sei nicht zielgenau, habe kein
vernünftiges Finanzierungsmodell und berge zahlreiche neue
Ungerechtigkeiten, sagte Vogel der dpa. Er fügte hinzu: «Dafür das
Zehnfache an Verwaltungsausgaben gegenüber sonstigen Rentenleistungen
und eine komplett verzögerte Auszahlung - das ist die traurige Bilanz
bei dieser eigentlich so wichtigen Aufgabe.»

Vogel kritisierte, mit dem vorgelegten Grundrentenmodell hätten CDU,
CSU und SPD kein gemeinsames Ziel verfolgt. «Am Ende waren
parteitaktische Manöver wichtiger als die bestmögliche Lösung in der

Sache gegen Altersarmut - leider.» Die Union habe das Thema nun vor
den Sommerinterviews abräumen wollen.

Nach dem Modell der FDP, das am Donnerstag ebenfalls zur Abstimmung
im Bundestag steht, habe der, der «gearbeitet und eingezahlt hat,
dort immer mehr als die Grundsicherung und immer mehr, als wer das
nicht oder weniger getan hat. Gleichzeitig muss niemand im Alter aufs
Sozialamt. Das wäre fair, zielgenau und finanzierbar.»