Verantwortung statt Verbote: Neue Corona-Regeln für Sachsen-Anhalt

Freiheit auf Bewährung: Nachdem sich die Sachsen-Anhalter wochenlang
an die Verbote der Corona-Verordnungen gehalten haben, wagt das
Kabinett einen Paradigmenwechsel: Statt Verboten setzt die
Landesregierung ab Donnerstag verstärkt auf Eigenverantwortung.

Magdeburg (dpa/sa) - Trotz einzelner Ausbrüche steht Sachsen-Anhalt
in der Corona-Krise noch immer gut da, was das Infektionsgeschehen
angeht. Die Landesregierung wagt mit der siebten
Corona-Landesverordnung, die am Donnerstag die bisherigen Regeln
ablöst, deshalb tiefgehende Änderungen ihrer Corona-Politik: Das
Kontaktverbot wird nach gut drei Monaten nicht mehr verlängert. An
die Stelle des Verbots tritt ab Donnerstag mit der neuen
Landesverordnung eine Empfehlung, sich nicht mit mehr als zehn
Menschen zu treffen.

Die Regierung setzte nun verstärkt auf die Eigenverantwortung der
Sachsen-Anhalter, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) am
Dienstag nach der Kabinettssitzung. Wenn die Menschen dieser
Eigenverantwortung gerecht würden, ebne das den Weg für eine weitere
Lockerung der Beschränkungen. Ein zweiter Lockdown müsse verhindert
werden, sagte Haseloff. Stattdessen sollen künftige Ausbrüche, wie
zuletzt der in Magdeburg, vor Ort bekämpft werden, ohne dass das
ganze Land von den Maßnahmen betroffen ist. «Das ist unsere
Zielstellung und deshalb brauchen wir weiter eine offensive,
selbstbewusste, aber eben auch problembewusste Mitwirkung der
Bürgerinnen und Bürger.»

Dank der weiterhin geringen Infektionslage in Sachsen-Anhalt hätte
das Kabinett «eine ganze Reihe von Lockerungen» nun früher erlassen
können, als ursprünglich geplant, sagte Gesundheitsministerin Petra
Grimm-Benne (SPD). So werden etwa die Vorschriften für
Veranstaltungen entschärft, teilweise ab Donnerstag, teilweise erst
ab Ende August. Die Verordnung soll bis zum 16. September gelten. In
einem Monat will das Kabinett aber die Auswirkungen der neuen
Lockerungen bewerten und die Verordnung gegebenenfalls nachschärfen.
Eine Übersicht über die Neuerungen:

Das KONTAKTVERBOT, das seit Ende März den Kontakt im Freien zu
zunächst mehr als einem, später zu mehr als neun anderen Menschen
untersagte, fällt ab Donnerstag weg. An seine Stelle tritt die, nach
Angaben Haseloffs «dringende» Empfehlung, sich mit möglichst wenigen

Menschen zu treffen. «Jede Person ist angehalten, physisch-soziale
Kontakte zu anderen Personen möglichst gering zu halten», heißt es in

der neuen Verordnung. «Es wird empfohlen, sich mit nicht mehr als
zehn Personen aufzuhalten und den Personenkreis, zu dem ein
physischsozialer Kontakt besteht, möglichst konstant zu halten.»

FEIERN im privaten Rahmen dürfen ab Donnerstag wieder mit 50 statt
bisher wie 20 Teilnehmern stattfinden. Wer mit mehr Menschen feiern
will, muss die Party professionell organisieren lassen. Dann sind in
geschlossenen Räumen zunächst bis zu 250 Teilnehmer erlaubt, draußen

sogar bis zu 1000. Ab dem 29. August sollen zu fachkundig
organisierten Feiern auch in geschlossenen Räumen wieder bis zu 500
Gäste kommen. Damit will die Landesregierung Einschulungsfeiern an
den Schulen ermöglichen, die an diesem Samstag stattfinden sollen.

GROßVERANSTALTUNGEN bleiben grundsätzlich bis zum 31. Oktober
verboten. Grimm-Benne sagte, sie hoffe auf eine bundeseinheitliche
Einigung darüber, wie mit den Weihnachtsmärkten verfahren werden
soll. In diesem Sinne keine Großveranstaltung sind allerdings
Jahrmärkte, an denen gleichzeitig nicht mehr als 1000 Menschen
teilnehmen. Auch Messen, Ausstellungen und Flohmärkte werden unter
Auflagen wieder ermöglicht.

KINDER sollen im nächsten Schuljahr wieder normal zur Schule und in
die Kita gehen. Am 27. August sollen Schulen und Kitas in den
Regelbetrieb zurückkehren, also die Klassen und Gruppen nicht mehr
aufteilen, sagte Grimm-Benne. Auch der Urlaub der Kleinen soll
möglich werden: In den Sommerferien dürfen Kinder in Ferienlager
fahren.

In der GASTRONOMIE ändert sich relativ wenig, doch auch hier gibt es
eine Lockerung: Gäste dürfen sich wieder selbst an Buffets bedienen.

Das mussten bisher die Kellner übernehmen. Die Wirte müssen
allerdings sicherstellen, dass die Gäste «sowohl bei der Entnahme der
Speisen und Getränke als auch beim Aufenthalt in der Warteschlange»
einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

KÜNSTLER können sich ab dem 20. Juli um ein Stipendium der
Landesregierung bewerben. Dafür müssen sie nachweisen, dass sie als
Künstler arbeiten und ein Konzept für ein Projekt einreichen, das sie
mit dem Landesgeld realisieren wollen. Anschließend will das Land die
geförderten Projekte dann ausstellen. Die geförderten Künstler
bekommen für bis zu drei Monate pro Monat 1000 Euro. 6 Millionen Euro
stehen dafür bereit, damit könnte das Land 2000 Künstlerinnen und
Künstler fördern.

Im SPORT dürfen ab Donnerstag wieder Wettkämpfe angesetzt werden. Die
Grenze von 1000 Menschen für Veranstaltungen im Freien soll auch hier
gelten. Dabei sollen die jeweiligen Hygieneregeln und Vorgaben der
Sportverbände eingehalten werden. In geschlossenen Räumen dürfen
Wettkämpfe nur mit maximal 250 Beteiligten ausgetragen werden. Dabei
zählt die Zahl von Sportlern, Betreuern und Zuschauern. Ab Ende
August sind 500 Menschen erlaubt. Auch Kontaktsport ist mit bis zu 50
Teilnehmern von Donnerstag an wieder erlaubt.

Auch für REISEN erlässt die Landesregierung kurz vor den Sommerferien

neue Regeln. In Reisebussen sollen künftig ähnliche Regelungen gelten
wie im ÖPNV. Weil der Mindestabstand von 1,50 Metern dort nicht
eingehalten werden könne, sei auch dort eine Mund-Nasen-Bedeckung
nötig. Die muss bei Fahrten von mehr als drei Stunden der
Veranstalter stellen. Das gilt auch für Fahrten auf Schiffen,
historischen Eisenbahnen und Seilbahnen. Reisende aus Corona-Hotspots
müssen in Sachsen-Anhalt weiterhin beweisen, dass sie nicht infiziert
sind, um in Hotels und auf Campingplätzen einzuchecken. Hoteliers,
die sich nicht daran halten, müssen bis zu 1000 Euro zahlen.

GESCHLOSSEN bleiben sollen Clubs, Diskotheken, Prostitutionsstätten,
Volksfeste und große Jahrmärkte.