Baden-Württemberg testet nur anlassbezogen auf Corona Von Bettina Grachtrup, dpa

In Bayern können sich ab Juli alle Bürger gratis auf Corona testen
lassen - auch ohne Symptome. Im benachbarten, von Grün-Schwarz
regierten Baden-Württemberg ist das anders. Warum?

Stuttgart (dpa/lsw) - Anders als Bayern bietet Baden-Württemberg
keine flächendeckenden, kostenlosen Corona-Tests für die Bürger an.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialminister Manne Lucha
(beide Grüne) begründeten dies am Dienstag mit den Kosten und auch
damit, dass Tests für jedermann bei der derzeitigen Infektionslage
nicht angebracht seien. Lucha erklärte, Baden-Württemberg halte am
Grundprinzip fest, anlassbezogen zu testen. «Alles andere ist Fischen
im Trüben mit einer Halbwertszeit von zwei Tagen. Dann ist die
Aussage (eines Tests) schon wieder nichts wert», sagte Lucha.

Nach der am Dienstag vom grün-schwarzen Kabinett beschlossenen neuen
Strategie sind Tests unter anderem vorgesehen, wenn jemand Symptome
einer möglichen Infektion mit dem Coronavirus zeigt. Zudem werden
nach bestätigten Infektionen Kontaktpersonen getestet - auch solche,
die über die Corona Warn-App identifiziert worden seien. Tests sind
auch bei der Aufnahme in stationären Pflegeeinrichtungen vorgesehen,
bei Krankenhauseinweisungen und bei Patienten während eines
Krankenhausaufenthalts. Medizinisches und pflegerisches Personal soll
nach einem bestimmten System stichprobenhaft getestet werden. Wenn in
einer Region die Zahl der Infektionen deutlich steigt, will die
Landesregierung nach eigenen Angaben auch die Testungen ausweiten.

Über das Vorgehen bei der Testung von Erziehern und Lehrern konnte
sich die grün-schwarze Landesregierung bislang nicht einigen. Hier
soll es an diesem Donnerstag weitere Gespräche geben. Minister Lucha
sah auch für diese Gruppen Tests nach einem Stichproben-System vor.
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) fordert regelmäßige
Testangebote für alle pädagogischen und nicht-pädagogischen
Beschäftigten in Schulen und Kitas. Der SPD-Politiker Rainer Hinderer
meinte, die fehlende Einigung sage viel über den Zustand der
grün-schwarzen Koalition aus. «Genau dort, wo es auf Tests besonders
ankommt, bleibt Grün-Schwarz noch eine Einigung schuldig.»

Kitas und Grundschulen in Baden-Württemberg sollen seit dem Montag
einen Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen anbieten. Dort gibt es
auch kein Abstandsgebot mehr. Corona-Fälle an Schulen im Landkreis
Göppingen und an einem Brettener Gymnasium sorgten aber nach Angaben
des Lehrerverbandes VBE für Verunsicherung unter den Pädagogen.
Kretschmann deutete am Dienstag an, dass er die Forderungen nach
regelmäßigen Tests für sie nicht richtig nachvollziehen könne: Wenn

Lehrer Angst vor einer Ansteckung bei ihren Schülern hätten, dann
müssten doch eher die Kinder getestet werden - nicht die Lehrer.

Der Landeschef der Gewerkschaft Verdi, Martin Gross, kritisierte, das
Land lasse das Personal von Kitas und Schulen mit ihren Ängsten vor
Ansteckungen mit dem Coronavirus allein. Nach Luchas Angaben wurden
im Juni insgesamt 26 Infektionen mit dem Coronavirus an 20 Schulen in
Baden-Württemberg gemeldet. Die Kosten für die jetzt beschlossene
Teststrategie beziffert das Land auf 60 Millionen Euro. Die Labore im
Südwesten könnten mehr als 120 000 Tests in der Woche verarbeiten. Im
bundesweiten Vergleich liege das Bundesland damit auf Platz 3.

Generell sind inzwischen in Deutschland Corona-Tests in vielen Fällen
auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich - etwa in sensiblen
Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte vor knapp drei
Wochen dafür eine Verordnung verkündet, die eine Reihe zusätzlicher
Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests
auf Kassenkosten in der Regel nur, wenn jemand Infektionssymptome
zeigte wie Fieber, Husten, Halsschmerzen. Daneben gibt es die
Möglichkeit, Corona-Tests auf eigene Kosten machen zu lassen.