Gnade wegen Corona - Berliner Justiz erlässt einen Teil von Strafen

Die Corona-Krise hat um die Haftanstalten in der Hauptstadt keinen
Bogen gemacht. Vieles musste verändert werden. Und nun wird wieder
einiges anders.

Berlin (dpa/bb) - Die Berliner Justiz zeigt sich in der Corona-Krise
milde und verzichtet auf das Verbüßen von Ersatzfreiheitsstrafen.
Justizsenator Dirk Behrendt hat einen Corona-Gnadenerweis
unterschrieben, wie am Dienstag mitgeteilt wurde. Die Pandemie sei
nicht vorbei, es sollten «zu viele Bewegungen rein - raus» in den
Haftanstalten vermieden werden, sagte der Grünen-Politiker.

Der Strafvollzug sei bisher «durchaus erfolgreich» durch die Krise
gekommen. In den geschlossenen Anstalten habe es keinen einzigen
Infizierten gegeben, im offenen Vollzug zwei Fälle. Mitte Juni saßen
etwa 3000 Gefangene hinter Gittern - ein historischer Tiefstand.

«Über den dicken Daumen gerechnet», könnten laut Behrendt etwa 1000

Verurteilte von dem Gnadenerlass profitieren. Generell ausgenommen
seien wegen Sexual- und Gewaltstraftaten Verurteilte sowie
Hassverbrecher.

Sogenannte Ersatzfreiheitsstrafen werden verhängt, wenn etwa
notorische Schwarzfahrer oder Ladendiebe zu einer Geldstrafe
verurteilt wurden, diese aber nicht zahlen wollen oder können.
«Ersatzfreiheitsstrafer» bleiben laut Justiz sonst im Schnitt 30 Tage
im Gefängnis.

Mitte März war wegen der Corona-Ansteckungsgefahr der Haftantritt für
solche Verurteilten ausgesetzt worden. Zunächst sollte der Aufschub
für vier Monate bis Mitte Juli gelten, nun wird die Strafe erlassen.
Dies gelte etwa für Betroffene mit Geldstrafen bis zu 40 Tagessätzen
oder für Verurteilte, die älter als 60 Jahre alt sind, sowie
Menschen, die von maximal 90 Tagessätzen bereits die Hälfte
abgegolten haben.

Für andere wird es hingegen ernst: Der ausgesetzte Haftantritt für
Täter mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Jugendstrafen bis
zu zwei Jahren läuft aus, wie die Abteilungsleiterin für den
Strafvollzug, Susanne Gerlach, ankündigte. Ab dem 15. Juli verschicke
die Justiz sukzessive Aufforderungen, zum Strafvollzug zu kommen. Wie
viele Täter das betrifft, konnte Gerlach noch nicht sagen. Die
Justizverwaltung rechnete damit, dass sich nicht alle freiwillig
melden und Verurteilte auch mit Haftbefehl gesucht werden müssten.

Alle neuen Gefangenen müssen laut Justizangaben in eine 14-tägige
Quarantäne, dafür werden auch die neu aufgebauten Isolierstationen
genutzt. Bedienstete erhielten laut Angaben eine persönliche
Schutzausrüstung.

Besuche von Inhaftierten seien wieder möglich, wenn auch mit
Einschränkungen, hieß es. In der Krise wurden rund 30 Videoplätze in

den Anstalten eingerichtet, von denen aus Gefangene mit ihrer Familie
skypen konnten. Das Angebot werde in veränderter Form weitergeführt,
hieß es.

Ein Großteil der Insassen durfte wegen Corona nicht in den
Gefängnis-Werkstätten arbeiten. Der Lohn werde aber fortgezahlt,
betonte Behrendt. Der Grünen-Politiker plädierte für verstärkte
Corona-Tests in den Haftanstalten - nicht nur für Justizbedienstete,
sondern auch für Inhaftierte.